Foodsaver verteilen regelmäßig Lebensmittel

Obst und Gemüse heiß begehrt: Die Foodsaver verteilen die gesammelten Waren. Foto: Andrea Euler

Es ist Ausgabezeit beim Gelnhäuser Ableger der Initiative Foodsharing, die sich als Ziel gesetzt hat, „die Wegwerfkultur von Lebensmitteln und anderen Ressourcen zu vermindern“.

Gelnhausen/Freigericht – Kurz nach 16 Uhr: Vor dem Jugend- und Kulturzentrum in Gelnhausen sammelt sich eine Traube Menschen. Einige Ältere sind dabei, manche sind mit dem Rollator gekommen. Mütter mit kleinen Kindern stehen auf dem Platz, unterhalten sich. Ein Rentner schaut sich um und fragt: „Wie ist das denn organisiert hier? Muss ich meinen Rentenbescheid vorzeigen?“

„Gemeinsam für mehr Lebensmittelwertschätzung“ engagiert sich die Gelnhäuser Gruppierung seit Ende November 2021. Hauptansprechpartnerinnen sind vor Ort Christina Stapf und Sara Steigerwald. Die „Botschafterinnen“, wie sich die Funktion organisationsintern nennt, sind auf dem Platz die ersten, die weiterhelfen - und die, die den Laden organisatorisch am Laufen halten.

„Wir heißen im Bezirk die Leute willkommen, stellen Kontakte zu Märkten her, kümmern uns drum, dass neue Interessierte erfahren, wie sie selbst aktiv werden können“, zählen die engagierten Frauen auf.

Und schnell wird klar, dass ein Eingreifen von beiden an diesem Nachmittag tatsächlich mehrmals unabdingbar ist: Unter den Abholenden bricht Unruhe aus, es wird laut in der Menschentraube.

Äußerer Anlass: Der Abstand zwischen den einzelnen Menschen wird nicht eingehalten, ist aber immer noch Vorschrift. Das stört die einen, die anderen reagieren gereizt.

„Leider kommen die Menschen immer schon sehr früh“, merkt Stapf an. Die Verteilung beginnt auf dem „Marktplatz“ erst um 16.30 Uhr, aber die Kundschaft erscheint regelmäßig früher in der Hoffnung auf die besten Schnäppchen. „Dabei kommt es überhaupt nicht darauf an, wer wann kommt. Wir verteilen Losnummern, sodass es dem Zufall überlassen ist, wer zuerst und wer danach an die Tische darf“, erläutert Steigerwald.

Die Nachfrage sei in den zurückliegenden Monaten und Jahren gestiegen: Wegen Covid, aber nun auch wegen des Ukraine-Kriegs. Aber beide Frauen haben beobachtet, dass „es schwieriger geworden ist“. So sei das Anspruchsdenken größer geworden. „Auch der Respekt, den die Abholer uns gegenüber an den Tag legen, lässt manchmal zu wünschen übrig.“

Dabei sind es ausschließlich Ehrenamtliche, die einen Teil ihrer freien Zeit für ihr Herzensprojekt drangeben. Und bevor es mit der Verteilung losgeht, ist auch genug zu tun: Zwischen fünf und zehn Helfende sind aktiv, um Backwaren, Obst und Gemüse auf vorbereiteten Tischen zu präsentieren, nicht mehr genießbare Ware auszusortieren und Gebäck in Tüten zu packen.

Zwei weitere Autos voller Waren sollen noch eintreffen, aber dafür muss erst mal Platz gemacht werden. „Wer parkt denn da wieder so blöd?“, fragt eine der Helferinnen, denn das Auto mit den Lebensmitteln hat überhaupt keine Chance, über den kleinen, angrenzenden Parkplatz in die Nähe des Geschehens zu kommen.

Ein kleines Mädchen hat es irgendwie geschafft, schon vorab an ein Stückchen süßen Gebäcks zu gelangen. Fröhlich rennt es auf das kleine Rasenstück am Rande des Parkplatzes, teilt mit einem Jungen und einem Mädchen. „Das ist schön zu sehen, dass hier Menschen aufeinandertreffen, Kinder miteinander spielen“, freuen sich die Verantwortlichen. „Geflüchtete, Ausländer, Deutsche – für uns ist jeder gleich. Und jeder kann sich nehmen.“

Inzwischen können sie das Klagen mancher Menschen nicht mehr hören wie: „Wir Deutsche kriegen nie etwas.“ Weil es einfach nicht stimmte. „Zu uns kann jeder kommen, vom gut situierten Paar, das das Retten von Lebensmitteln für wichtig erachtet, bis hin zu Bedürftigen. Wir wollen keine Ausweise und keinen Rentenbescheid, es gibt keine Wartelisten.“

Darin unterscheide sich das Konzept der „Foodsaver“ von dem der Tafeln. Mit denen vor Ort übrigens vortrefflich kooperiert wird. Viele der angebotenen Waren werden bei der örtlichen Tafel abgeholt. Es ist Überschussware, die bei der Tafel nicht verteilt werden konnte. Und bei manchen Anbietern holen die Foodsaver die übrig gebliebenen, aber einwandfreien Waren auch direkt ab.

Zwischen 25 und 50 Menschen, die aus den verschiedensten Gründen helfen, Lebensmittel zu retten, kommen jede Woche. „Bei richtig schönem Wetter sind es auch mal 70“, hat Stapf beobachtet. Sie ist seit etwa zehn Jahren dabei, hat über einen Fernsehbericht ihre Liebe zum Thema gefunden.

Sie sagt rückblickend: „Es ist nicht leichter geworden. Die Menschen sind manchmal respektlos. Dabei achten wir darauf, dass es hier so fair wie möglich zugeht. Es ist manchmal schwierig, mit Freude dranzubleiben. Und wenn wir nur für 30 oder 40 Leute Gemüse haben, aber es kommen 50, dann verteilen wir das, was wir haben. Wir sind nicht die Tafel. Wir sind Foodsharing.“

Jedes Mal müssten die Verantwortlichen und Helfenden umdenken, jedes Mal versuchen, „noch besser und fairer zu werden“. Und sich darüber zu freuen, dass „es auch viele positive Rückmeldungen gibt. Von Menschen, die dankbar sind und sich freuen über das kostenlose Essen. Die den Helferinnen und Helfern Gottes Segen wünschen. Für diese Rückmeldungen lohnt sich alle Anstrengung.“

Foodsaver bieten folgende Fair-Teilungs-Angebote an: in Gelnhausen dienstags ab 16.30 Uhr vor dem Jugend- und Kulturzentrum, in Freigericht-Somborn freitags ab 17 Uhr vor der evangelischen Kirche ab 17 Uhr, in Gelnhausen-Hailer am Viadukt samstags ab 16 Uhr und in Hanau in Hanau am St. Nikolausheim samstags ab 15 Uhr.

VON ANDREA EULER