Große Gefühle auf der Bühne

Rissen ihr Publikum mit: Die Solisten brillieren bei den „Opernhighlights“ in Bad Orb. Foto: Andrea Euler

Ein Abend der großen Gefühle: die Premiere der „Opernhighlights“ der 36. Opernakademie Bad Orb in der Konzerthalle.

Bad Orb – Das Orchester nahm erstmals auf der Bühne und nicht im Orchestergraben Platz, um – unterstützt von drei Sängerinnen, zwei Sängern, dem Chor der Opernakademie und Moderator Erik Biegel – ein knapp dreistündiges, buntes Programm aus den unterschiedlichsten Werken zu präsentieren: Arien, Duette, Ensembles mit Chor aus Oper und Operette.

Ein begeistertes und von der ersten Sekunde an hingerissenes Publikum sparte nicht mit Applaus, Bravo-Rufen, anerkennenden Pfiffen, Johlen und Standing Ovations. In die Begeisterung mischte sich jedoch auch Wehmut: Nach 25 Jahren verabschiedet sich Dirigent und Gesamtleiter Michael Millard von der Opernakademie.

Schon bei seinen Begrüßungsworten wurde Moderator Biegel vom Applaus der Gäste unterbrochen: „Wir sind wieder da. Die Kultur lässt sich nicht unterkriegen.“ Der Vorstand der Freunde der Opernakademie hatte im Januar aufgrund der unklaren Pandemielage und des hohen Kostenrisikos beschlossen, auf die Produktion einer kompletten Oper zu verzichten.

Stattdessen erhielten die Sänger Karina Repova (Mezzosopran), Katrin Gietl (Sopran), Elisabeth Birgmeier (Koloratursopran), Myungin Lee (Tenor) und Cornelius Lewenberg (Bariton) die Chance, Partien mit großem Orchester einzustudieren.

Die 55 Orchestermitglieder fanden sich erstmals auf der Bühne und nicht im Orchestergraben, der – so Biegel – maximal 44 Personen fasst und zudem „den Charme einer Sardinenbüchse“ habe. Aus Südkorea bis Bayern stammen die Instrumentalisten – auch von der Slowakischen Philharmonie in Bratislava, vom Opernorchester Bratislava, von der Slowakischen Philharmonie Kosice, vom Mainfranken Theater Würzburg, den Hofer Symphonikern und der Radio-Philharmonie Saarbrücken.

Zusammengestellt wird das Orchester von Musikdirektor und Konzertmeister Jaroslav Bilik. „Zwei Harfen sind auch dabei“, frohlockt denn auch Biegel, der feststellt: „Der Enthusiasmus und der Wille, gemeinsam Musik zu machen, haben alle beflügelt.“

Die Solistinnen und Solisten wurden vor der Corona-Pandemie an fünf Terminen im Dezember 2019 und Januar 2020 im Staatstheater Mainz ausgewählt.

Es gab damals 241 Bewerber aus 36 Nationen (Armenien, Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Irland, Japan, Kanada, Kroatien, Lettland, Libanon, Mexiko, Niederlande, Österreich, Philippinen, Polen, Russland, Schweden, der Schweiz, Südkorea, Spanien, Thailand, Tschechien, der Ukraine, Ungarn, den USA); diese leben überwiegend in Deutschland. Die damals geplante Produktion von Johann Strauß’ Operette „Die Fledermaus“ musste wegen der Pandemie abgesagt werden.

Geboten wurden nun mit den Opernhighlights „schmissige und schwelgerische Melodien“, Stücke, die Mike Millard besonders am Herzen liegen, wie der Moderator betont.

Das Programm reichte von Bernstein über Strauß und Bizet bis hin zu Lehár und Korngold. Ein Duett aus „Hoffmanns Erzählungen“ wurde geboten, die Arie „Dein ist mein ganzes Herz“ bewegte das Publikum, der Chor der Opernakademie unter der Leitung von Wolfgang Runkel begleitete Katrin Gietl und Karina Repova bei „Belle nuit, ô nuit d’amour“ aus „Hoffmanns Erzählungen“ von Jaecques Offenbach – und entzückte das Publikum mit dem Marsch-Septett „Wie die Weiber“ aus der „Lustigen Witwe“ von Franz Lehár. Wie es Biegel schon früh im Programm ankündigte: „Der Augenblick: Verweile doch! Du bist so schön! wird für jeden heute Abend kommen.“

Ganz besonders kam dieser Moment für Michael Millard, der 24 Jahre lang seinen Jahresurlaub für die Opernakademie geopfert und alljährlich mehrere Tausend Bewerbungen analysiert sowie das Vorsingen auf Theaterbühnen realisiert hat. Millard war von Anfang an dabei, hat die Entwicklung der Opernakademie von der ersten Idee bis heute mitverfolgt und dazu beigetragen, die Institution über die europäischen Grenzen hinaus bekannt zu machen.

Für ihn gab es eine Laudatio, in der Biegel betonte: „Mike weiß um das Geheimnis, das es braucht, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Man muss sich einlassen. Mike baut alles Komplizierte und alle Barrieren ab. (…) Mike verschreibt sich mit Haut und Haaren der Musik.“

Dem musikalischen Leiter wurden unter dem Beifall der Gäste Rosen überreicht als „Zeichen unserer Verbundenheit.“ Eine Rose, liebevolle Worte und viel Applaus gab es auch für Zelma Millard, die „starke Frau hinter einem starken Mann“, die 1986 mit ihrer Studienkollegin Elke Hermanns die Ideengeberin für die Opernakademie und – selbst ausgebildete Opernsängerin – auf vielfältige Weise in den zurückliegenden Jahrzehnten an der Realisierung der Aufführungen beteiligt war.

VON ANDREA EULER