„Die Menschenrechte geschlossen verteidigen“

Gemeinsam für die Menschenrechte: Auf dem Gelnhäuser Obermarkt wurde an die Gründung von Amnesty International erinnert. Foto: Stephan Siemon

Amnesty International feiert einen runden Geburtstag und erinnert an die Gründung der Ortsgruppe in Gelnhausen.

Gelnhausen – Vor 60 Jahren schlug die Geburtsstunde der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“, die heute eine rund zehn Millionen Menschen starke Bewegung ist.

Zwei junge Menschen erheben in einem portugiesischen Café ihr Glas „auf die Freiheit“. Das reicht, sie während der seinerzeit dort herrschenden Militärdiktatur sieben Jahre in Haft zu setzen. Der britische Rechtsanwalt Peter Benenson erfährt davon. In einem Text macht er unter der Überschrift „Appeal for Amnesty“ auf das weltweite Schicksal politischer Gefangener aufmerksam – über 1000 Menschen engagieren sich spontan. Amnesty ist geboren. Bis heute ist es eine Erfolgsgeschichte. Denn nach wie vor gilt: „Wenn eine einzelne Person protestiert, so bewirkt das nur wenig, aber wenn es viele Leute gleichzeitig tun würden, könnte es einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen.“ Vor 40 Jahren gründete sich die Gelnhäuser Ortsgruppe. Grund genug zum Feiern also: Ein gelbes Zelt steht auf dem spätsommerlichen Gelnhäuser Obermarkt. Es gratuliert Markus N. Beeko, Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty International. „Es ist schön, dass sie alle da sind“, begrüßt er die Gäste, um zu unterstreichen: „Es ist wichtig, in großen, aber auch in kleinen Orten immer wieder an die Menschenrechte zu denken.“

Und das gilt nicht nur für Länder wie Indien, wo „Amnesty“ die Konten gesperrt wurden, das gilt nicht nur für die Türkei, wo Amnesty-Mitglieder verfolgt werden. Denn „die Corona-Pandemie ist auch eine Menschenrechtskrise“, verdeutlicht der Generalsekretär und erinnert an die Schnüffel-Software Pegasus, mittels derer unter anderem Menschenrechts-Aktivisten, aber auch Journalisten abgehört werden.

Zu denken ist auch an die Besatzung des deutschen Seenotrettungsschiffes „Iuventa“, die von Amnesty mit dem Menschenrechtspreis geehrt wurde, gleichwohl aber seit Jahren von der italienischen Justiz drangsaliert und mit Haftstrafen wegen ihres Einsatzes für geflüchtete Menschen bedroht wird. Zuvor erinnern Brigitte Gottwald und Jochen Keralus an die Geschichte der Gelnhäuser Ortsgruppe, skizzieren deren Arbeit und deren Erfolge. Alle zwei Wochen treffen sich die Gelnhäuser Menschenrechtsaktivisten im Gelnhäuser Weltladen.

Im Moment sind sie auf der Suche nach einer Gruppe junger Menschen, die die Arbeit in Gelnhausen fortführen mag. Vielleicht finden sich die ja in der Gruppe jener, die unter dem Namen „Fridays for Future“ auch in Gelnhausen aktiv geworden sind und für die Clara vom Endt ebenfalls ein Grußwort spricht? Sie nimmt Bezug auf die Flutkatastrophe im Ahrtal, schaut aber auch nach Indien, wo viele Menschen ebenfalls unter dem Klimawandel leiden, und sagt: „Wenn wir erst handeln, wenn etwas vor unserer eigenen Haustür passiert, dann ignorieren wir das Leid dieser Menschen.“ Grußworte spricht auch der Gelnhäuser Bürgermeister Daniel Christian Glöckner, der an die Ursprünge der Gelnhäuser Gruppe denkt „Das ist hier ja wie Heimkommen in meine alte Schule“, erinnert er daran, dass die Gelnhäuser AI-Gruppe im Umfeld des Grimmelshausen-Gymnasiums startete, wo auch Gottwald und Keralus Lehrer waren. Er erinnert zudem an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die 1948 verabschiedet wurde und auch im Grundgesetz ihren Niederschlag fand, und sagt, bezogen auf Gelnhausen: „Hier bleibt der Mensch Mensch. Mehr denn je müssen die Menschenrechte entschlossen verteidigt werden.“ Für die passende Musik sorgen zum runden Geburtstag „Mrs. Linda & Mr. Hell.“ Linda Krieg und Oliver Hell gelten als feste Größe der Blues-Szene des Rhein-Main-Ballungsraumes.

Eine Bauzaun-Ausstellung wird die Arbeit und die verschiedenen Aktionsformen von „Amnesty“ bis zum 26. September auf dem Obermarkt vorstellen.

VON STEPHAN SIMON