Nachhaltige Visionen fürs Kinzigtal

Projektverbund: Teams von TU Darmstadt, Frankfurt University of Applied Sciences, Hochschule Heilbronn, Spessart Tourismus und Marketing GmbH sowie Stadt Hanau. Foto: Ulrike Pongratz

Wie müsste ein Tagesausflug in das Kinzigtal aussehen? Aus der Vielfalt an Sehenswürdigkeiten und Attraktionen in Stadt und Land könnte ein digitaler Routenplaner für Familien und Senioren jeweils ein passendes Angebot zusammenstellen und zugleich einen Vorschlag für den Weg mit Rad, Bus und Bahn aufzeigen.

Region – Zwischen den „Points of Interest“ können die Besucher aus Hanau oder Frankfurt ihr E-Bike aufladen und Rastplätze mit Aussicht auf Seen oder die Auenkulisse finden. Audioführer informieren über die Tiere und Pflanzen in vielfältigen Naturschutzgebieten, die über Stege zu erreichen sind. Nicht nur Gäste, sondern auch die Bewohner sind mit ihrer Natur emotional verbunden. Als Landschaftslotsen oder „Nature Guides“ führen sie Gruppen durch die Auen und achten darauf, dass empfindliche Bereiche nicht gestört werden.

Im Kinzigtal ist das noch Zukunftsmusik, doch in anderen Regionen Deutschlands werden bereits innovative Konzepte erprobt, um naturverträgliche und erlebnisreiche Erholung zu fördern und Besucher zu leiten.

Der Tagestourismus aus den Ballungsräumen nimmt zu, und deshalb sehen Naturschutzverbände viele Tier- und Pflanzenarten noch mehr in Gefahr. Bereits jetzt sind sie unter Druck. Die Nutzungskonflikte zwischen Erholung, Naturschutz, Verkehr, Landwirtschaft und Bebauung sind nicht kleiner geworden.

Für das Kinzigtal wird im Rahmen eines Pilotprojekts untersucht, wie ein nachhaltiges Tourismuskonzept gelingen kann. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, dass Akteure aus Politik und Gesellschaft gemeinsame Perspektiven und Strategien entwickeln, um für Bewohner, Besucher und Naturräume einen Mehrwert zu erzielen und insgesamt die Lebensqualität zu verbessern.

Gegenstand des Forschungsprojekts ist das Flusstal zwischen Hanau und Steinau an der Straße. „NaTourHuKi“ steht für Nachhaltiges Tourismuskonzept für Hanau und den westlichen Main-Kinzig-Kreis. Gefördert wird das auf fünf Jahre angelegte Forschungsprojekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, das auf die Wechselwirkungen zwischen Stadt und Land einen weiteren Fokus legt. Unter Federführung von Professor Jörg Dettmar der TU Darmstadt hatten die Verbundpartner Frankfurt University of Applied Sciences und Hochschule Heilbronn nach dreijähriger Arbeit ins Comoedienhaus nach Hanau eingeladen, um den 16 Kommunen im Untersuchungsgebiet sowie der interessierten Öffentlichkeit ihre Analyseergebnisse vorzustellen. Anhand von Gestaltungsideen für konkrete Orte zeigte Dettmar zudem auf, wie es in der zweiten Projektphase weitergehen könnte.

Das Kinzigtal ist reich an kulturellen Schätzen, bietet vielfältige Erholungsmöglichkeiten und besitzt eine gute Infrastruktur. Umso erstaunlicher ist es daher, dass es für die regionale Identität der Bewohner wie der Besucher kaum eine Rolle spielt. So laufen auch viele Projekte in den Kommunen nebeneinander her. Zu den Schwächen des Raumes zählt außerdem die Zerschneidung durch Verkehrs-Trassen.

Eine erste Erkenntnis ist daher, dass es eine gemeinsame Erholungsplanung geben müsse. Kommunen sollten ihre Angebote und Infrastruktureinrichtungen vernetzen und abstimmen. Man müsse sich als „Landschaftsanwälte“ zusammenschließen, so Dettmar.

Um einen Tagestourismus verträglich zu entwickeln, braucht es Maßnahmen wie beispielsweise die Lenkung von Besucherströmen und einen aktiven Naturschutz. Auch die Verknüpfung von Mobilität ist ein wichtiger Aspekt.

Gabriele Schaar von Römer legte für Hanau den Schwerpunkt auf Umweltbildung und auf die verstärkte Anbindung des Grünen Rings „nach außen“. An konkreten Orten in Hanau und entlang der Kinzig wurde aufgezeigt, wie konkrete Maßnahmen aussehen können. Vor allem ging es um die Verbesserung der bestehenden Radwege-Infrastruktur. „Es sollen keine neuen Wege gebaut werden“, versicherte Dettmar.

Um die Attraktivität des Radwegs R3 zu erhöhen, hatte sein Team verschiedene Ideen skizziert: Ein grüner Stadteingang nach Wächtersbach, Abschirmung von der B3 bei Hanau oder die Aufwertung der vorhandenen „Wasserhäuschen“ zu Rastpunkten. Viele Teile der Kinzig seien noch nicht renaturiert, hier könne man über die Erweiterung des Auenraums nachdenken.

Um Landschaft erleben zu können und gleichzeitig Natur zu schützen, dafür braucht es zunächst kluge Konzepte. Die Naturschutzverbände würden sich nicht gegen das Projekt wenden, setzte Bernd Leutnant vom Amt für Umwelt im Main-Kinzig-Kreis am Ende der Veranstaltung ein positives Signal der Zusammenarbeit. Auch der Naturschutz könne sich Synergieeffekte durch das Projekt vorstellen.

Mit Abschluss der ersten Projektphase können nun einige Ideen weiter konkretisiert und auf ihre Umsetzung überprüft werden.

VON ULRIKE PONGRATZ