Naherholung im Kinzig-Auental

Nachhaltiger Tagestourismus: Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass das favorisierte Verkehrsmittel beim Freizeitverkehr im Kinzig-Auental bislang das Auto ist. Abgesehen von der Qualität fehle bei den Radwegen eine übergeordnete, zusammenhängende Beschilderung. Archivfoto: Patrick Scheiber

Forschungsprojekt arbeitet Tourismuspotenziale der Region heraus – denn das Kinzigtal kann mehr.

Main-Kinzig-Kreis – Krisen wie die Corona-Pandemie, als Reisen nicht oder nur eingeschränkt möglich war, und nun die Inflation, die viele Menschen jeden Euro zweimal umdrehen lässt, machen Kurzurlaube beziehungsweise Tagesausflüge „vor der Haustür“ immer interessanter. Das Kinzigtal bietet für diese Art der Naherholung starke Potenziale – diese Potenziale sind aber noch nicht ausgeschöpft beziehungsweise weiterentwickelt. Das ist das Zwischenergebnis eines Forschungsprojektes, das sich mit der Frage befasst, wie die Naherholung im Kinzig-Auental naturverträglich gesteuert und die Möglichkeiten der Kinzig-Kommunen für den Tagestourismus gestärkt werden können.

Das Projekt mit dem etwas sperrigen Titel „Nachhaltiges Tourismuskonzept für Hanau und den westlichen Teil des Main-Kinzig-Kreises im Kontext des Regionalparks RheinMain“, kurz einfach nur NaTourHuKi, läuft seit dem Frühjahr 2020 und hat nun die zweite Projektphase erreicht, die bis 2025 andauert.

Das Verbundprojekt befasst sich mit der nachhaltig ausgerichteten Weiterentwicklung einer „Kinzig-Route“ entlang des bestehenden Radfernwegs R 3. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Programms „StadtLandPlus“ mit 2,6 Millionen Euro. Die Federführung des Verbundprojektes liegt bei der Technischen Universität (TU) Darmstadt, zudem sind die Hochschule Heilbronn mit dem Schwerpunkt Tourismus und die Frankfurt University of Applied Sciences für die Forschung im Sektor Verkehr und Verbindungen beteiligt.

Als sogenannte Praxispartner sind dabei: die Spessart Tourismus und Marketing GmbH für den Main-Kinzig-Kreis, das Umweltzentrum Hanau für die Stadt Hanau sowie der Regionalpark Rhein-Main.

Prof. Jörg Dettmar von der TU Darmstadt, Freiraumplaner und Stadtökologe, hatte die Idee zu dem Forschungsprojekt. Als wissenschaftlicher Berater für den Regionalpark kennt er das Kinzigtal gut. Woran es bislang hapere, sei, dass keine der örtlichen Planungen die Themen Tagestourismus und Naherholung im Gesamtkontext betrachte.

Einzelne Städte und Gemeinden bauten beispielsweise Radwege aus, jedoch fehle es oft an einem interkommunalen Konzept. Aber wenn man die Verkehrswende ernst nehmen wolle, sei ein zusammenhängendes Radwegenetz der Schlüssel, sagt Dettmar.

Und beim Thema Mobilität schlummert noch einiges an Potenzial: Denn Befragungen im Rahmen von Informationsveranstaltungen hätten ergeben, dass aktuell der eigene Pkw mit über 70 Prozent das meist gewählte Fortbewegungsmittel im Freizeitverkehr im Main-Kinzig-Kreis sei. Gründe: Manche Ausflugsziele seien nicht gut oder gar nicht an den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angebunden, und oft weise an Radwegen keine Beschilderung auf nahe gelegene Sehenswürdigkeiten hin. Neben einer besseren Qualität der Radwege schlagen die Projektverantwortlichen daher eine Optimierung der Radwegweisung vor. Als Beispiel wird das Radwegnetz „RadRegionRheinland“ genannt.

Mehr Platz für die Fahrradmitnahme in Bahnen und mehr Busse mit Fahrradträgern, wie man es beispielsweise vom Vogelsberger Vulkan-Express kennt, würden die Verknüpfung ÖPNV-Fahrrad stärken, mehr Service wie E-Bike-Vermietstationen oder Ladestationen am Radweg beziehungsweise bei Gastgebern das Radfahren grundsätzlich attraktiver machen. Eine Idee, die das Projekt hervorgebracht hat, ist auch, Mobilitätspunkte an den Bahnhöfen entlang der Strecke Hanau-Fulda einzurichten, um Wandergebiete zu erreichen. Die Kommunikation mit den Kommunen habe gezeigt, dass das Thema „nachhaltige Naherholung vor der Haustüre“ grundsätzlich positiv besetzt sei, sagt Projektleiter Dettmar. Ein Problem seien die fehlenden personellen Ressourcen in den Rathäusern, um Konzepte realisieren zu können.

Nach Abschluss des Projektes im Jahr 2025 werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt, so Dettmar – der natürlich hofft, dass diese dann nicht nur „für die Schublade“ erarbeitet wurden.

Von David Scheck