Vom Steinpilz zum Strubbelkopf

Zwischen lecker und gewöhnungsbedürftig: Pilzexpertin Andreas Eschenbrenner zeigt einen Steinpilz (rechts) und eine Herbsttrompete. Beides sind gute Speisepilze. Foto: Thorsten Becker

Die Pilzexpertin Andrea Eschenbrenner kennt den schmalen Grad zwischen Genuss und Gefahr.

Main-Kinzig-Kreis – Sie kennt die Plätze, an denen sie die Pilze findet – und sie kann fast alle sicher bestimmen. Dem Besucher präsentiert sie ein Tablett mit einer bunten Vielfalt. „Das ist einfach“, sagt sie zur eindeutigen Identifikation von Steinpilz und Pfifferling, den wohl beliebtesten Edelpilzen im Kinzigtal und den angrenzenden Mittelgebirgen. Nach fast drei überwiegenden „viel zu trockenen Jahren“ ist es nun wieder möglich, Leckeres in Feld und Wald zu finden.

Dann ist Andrea Eschenbrenner in ihrem Element, denn sie kennt fast alle der rund 5000 Pilze, die in Deutschland vorkommen. „Das ist ein Langstieliger Knoblauch-Schwindling“, sagt sie und zeigt auf einen lilafarbenen Pilz. Dieser riecht wie er heißt. „Die sind Strubbelkopf, Igelstäubling und Gallertköpfchen“, deutet sie weiter auf dem Tablet und die anschauliche Reise durch die Wunderwelt der Natur geht weiter. Doch diese Waldfrüchte sollten nicht unbedingt verzehrt werden. Manche schmecken nicht, andere können gefährlich sein.

Genau dies ist die Aufgabe der naturbegeisterten Frau aus Ronneburg-Hüttengesäß, die seit vier Jahren zudem eine Hobby-Imkerei betreibt.

In ihrem Ehrenamt ist die geprüfte Pilzsachverständige der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (Pilzkunde) beispielsweise für den Giftnotruf der Universität Mainz oder die vier Krankenhäuser im Kreis rund um die Uhr erreichbar. „Ich werde meist dann angerufen, wenn sich erste Vergiftungserscheinungen zeigen.“ Pro Jahr können es schon mehr als 50 Einsätze werden.

Die Liste ist lang und führt zu Morcheln, die aus Unwissenheit roh verzehrt wurden. Jüngst ist sie von einer Familie alarmiert worden, weil es nach einem Essen zu starken Bauchschmerzen und Erbrechen gekommen ist. „Zum Glück waren einige der Pilze noch vorhanden, die ich umgehend bestimmen konnte“, erzählt sie von dem abendlichen Notfall.

„Es waren Birkenpilze, also eigentlich ein ganz leckeres Menü.“ Doch der Fehler steckt im Detail: Der Sammler selbst hat sich in die Küche gestellt. „Die Pilze waren nicht lang genug gebraten, dann können solche Probleme entstehen.“

Für private Sammler ist Eschenbrenner ebenfalls eine Hilfe. „Neuerdings habe ich eine junge Familie, die mit dem Pilzesammeln begonnen hat. Sie kommen regelmäßig vorbei – und ich kontrolliere den Korb.“ Beim ersten Mal habe sie noch zahlreiche gefährliche Objekte aussortieren müssen.

Eschenbrenners Motto: „Pilze, die nicht eindeutig bestimmt werden können, dürfen auf gar keinen Fall im Kochtopf landen.“ Daher rät sie Anfängern, sich zunächst auf Röhrlinge zu konzentrieren, also Pilze mit Schwämmchen (Maronen, Steinpilze, verschiedenen Röhrlinge) unter denen es in unserer Region keine tödlich giftigen Arten gibt.

Anders sieht es bei den Lamellenpilzen aus, deren gefürchtetste Vertreter die tödlich wirkenden Knollenblätterpilze sind. Aber auch Lorcheln oder Risspilze bergen tödliche Gefahr. „Wer diese Pilze nicht kennt – Finger weg!“

Wer bei Eschenbrenner etwas lernen möchte, muss allerdings vorbeikommen. „Anhand von Fotos auf dem Smartphone ist es nicht möglich, Pilze eindeutig zu bestimmen. So etwas macht niemand von uns Pilzsachverständigen. Das wäre viel zu riskant, denn viele Arten treten in unterschiedlichen Varianten auf.“ Pilz-Apps seien ebenfalls mit äußerster Vorsicht zu genießen. „Das beste ist die Erfahrung.“

Vor allem versucht sie, Interesse zu wecken und wirbt gleichzeitig um Rücksicht auf die Natur. So gehörten luftdurchlässige Körbe zum Muss einer Standardausrüstung. „Auf gar keinen Fall Plastiktüten zum Sammeln mitnehmen. Darin können die Pilze schnell verderben.“ Insgesamt umfasst Eschenbrenners Infoblatt 16 wichtige Punkte und ist das zentrale Lehrmittel bei ihren Pilzexkursionen, die sie demnächst wieder anbieten will. Für Einzelpersonen, aber auch für Vereine und kleinere Gruppen.

„Wegen der vergangenen, zu trockenen Jahre habe ich noch eine Warteliste“, berichtet sie. Doch sie freut sich über das große Interesse. „Wichtig ist, dass Wissen weitergegeben wird.“

Angesichts der jüngsten Sammelerfolge bei den Pfifferlingen, die als erste Edelpilze zu finden sind, geht Eschenbrenner davon aus, das „dies endlich wieder ein gutes Pilzjahr werden könnte.“

Der Wald sei durch die ausgiebigen Regenfälle in den vergangenen Monaten für das Wachstum gut vorbereitet. Wann und wie häufig Steinpilz und Co. zu finden sind, könne aber nicht vorausgesagt werden. Das macht den Reiz am Pilzesammeln schließlich aus, findet Eschenbrenner.

VON THORSTEN BECKER