„. . . weil wir Bier lieben!“

„Ich bin mit dem Haustrunk groß geworden“: Michael Graf will in Wächtersbach an die über 400 Jahre alte Brautradition anknüpfen und neue Wege gehen. Foto: Andrea Euler

„Es ist eher dunkelgelb. Vollmundig. Leicht malzig. Naturtrüb. Und mit regionalen Zutaten hergestellt.“ Michael Graf ist begeistert. Das helle Landbier, für das er so hingebungsvoll schwärmt, wird zwar erst in Testmargen erzeugt, aber Graf ist schon sehr sicher: „Das Kinzz“ wird eine Menge begeisterter Anhänger finden.

Wächtersbach – „Ich habe es in aufopferungsvollen Selbsttests in verschiedenen Variationen durchprobiert, um die richtige Geschmacksvariante zu finden. Das war ein aufwendiger Akt. Und er ist noch nicht beendet“, so Graf.

Der Geschäftsmann ist bekannt als Geschäftsführer des Kreisverbands Main-Kinzig des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, als Vorstandsmitglied der Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig und als Stadtverordnetenvorsteher der Stadt Steinau. Er wird künftig der Inhaber der Firma Brauhaus Kinzigtal UG und Co. KG sein, die sich derzeit in Gründung befindet.

Graf als begeisterten Netzwerker treibt vor allem eines an: Er will „sein“ Bier als Marke aufbauen im Kinzigtal.

Und das will er nicht alleine tun: „Ich suche Unterstützer, Fans, Freunde, die Freude am Bier haben und Spaß daran, mit mir eine regionale Biermarke zu etablieren.“ Ab Oktober soll die Homepage für „Das Kinzz“ freigeschaltet werden, im ersten Schritt sollen in einer Crowdfunding-Aktion Freunde für das künftige Bier gefunden werden.

„Ab 20 Euro“ kann dann – so die aktuellen Pläne – jeder dabei sein, eine Belohnung gibt es auch: „Vielleicht zwei Flaschen Bier, ein T-Shirt und ein Dankesbrief“, ist Graf da noch am Überlegen. Das Bier solle man sich dann gut aufheben – es wird mit dem Hinweis „First Edition“ versehen und damit – so seine Hoffnung – vielleicht mal richtig viel wert sein.

„Bierpate“ kann den Plänen zufolge werden, wer 249 Euro in den Hut wirft. Dafür gibt es zusätzlich einen Krug mit Aufdruck und einen Bestellcode, über den man mehrfach im Jahr größere Mengen online mit Rabatten bestellen kann. Und dann soll es noch die „Brauräte“ geben. Diese sind quasi „Beiratsmitglieder der Firma“ und üben beratende Funktion aus. Ab 999 Euro kann man sich um diese Position bewerben. Entschieden wird von der Firmenleitung, wer diesem illustren Kreis beitreten darf. Bedingung: „Du musst Bier wirklich lieben.“ Die Brauräte sind für Graf „quasi meine Sparringspartner. Ich stelle mir vor, dass das ein richtig geiles Netzwerk wird“. Auf Zeit, versteht sich.

Zu den „Goodies“ für die Brauräte und Bierpaten sollen auch kleine Bierfässer gehören, für die Graf schon jetzt „eine neue Verpackung als attraktive Innovation“ sucht. Auch die Vertriebswege hat der Firmengründer im Visier, der gerne den Blick über die gewohnten Pfade hinaus richtet.

Die Liebe zum Bier liegt ihm im Blut: „Mein Vater war Verkaufsleiter in einer Brauerei in Memmingen“, berichtet er rückblickend. „Ich bin mit dem Haustrunk groß geworden.“ Und unter anderem deshalb sollen auch seine „Brauräte“ mit einem solchen bedacht werden. Wenn es denn so weit ist.

Derzeit laufen Gespräche mit der Bank und Investoren. Verhandlungen um die Brauanlage, die seinerzeit von der Bürgerbräu-Genossenschaft genutzt wurde und die sich derzeit im Wächtersbacher Heizkraftwerk befindet, scheiterten an unterschiedlichen finanziellen Vorstellungen.

Und nun plant Graf, eine neue Anlage zu installieren – an einem noch nicht festgelegten Standort. Im Spiel sind unter anderem als Stätten der Marstall in Wächtersbach, die Steinauer Domäne Hundsrück und weitere Alternativen. „Wächtersbach wäre die beste Lösung“, ist sich Graf sicher. Bis allerdings alle erforderlichen Pläne eingereicht und genehmigt seien und auch die Bauarbeiten abgeschlossen werden könnten, werden noch „zwei bis vier Jahre“ ins Land gehen.

Denn: „Das soll nicht einfach eine Brauerei werden, das soll ein Magnet werden. Mit einer Bierakademie, in der idealer Weise 400 bis 500 Biere aus der ganzen Welt verkostet werden können. Mit einer ganzen Brauereiwelt. Mit Vorträgen und Braukursen, einem Netzwerk an Bierfreunden, einer Merchandise-Abteilung.“

Denn Bier sei ein gesellschaftlicher Schlüssel, ein Türöffner, es verbindet. Der Wert einer Brauerei liege nicht im erfolgreichen Bierverkauf, sondern in der Marke. „Wir wollen wieder eine regionale Biermarke. Nicht zum Saufen, sondern für ein Zielpublikum, das Bier genießt, das ruhig auch ein paar Euro mehr zahlt.“

Angesprochen werden sollen auch Gastronomen, die Wert auf ein besonderes Bier zu ihrem ebenso besonderen Speisenangebot legen. Regionalität und Nachhaltigkeit liegen Graf am Herzen. Er denkt auch über eine Zusammenarbeit mit den hiesigen Behindertenwerkstätten nach.

In der Gründungsphase wird eine vorhandene Braustätte in Bad Orb genutzt. 1500 Hektoliter pro Jahr sind angepeilt für den individuellen Abverkauf und die Gastronomie. „Braumeister Stefan Simon benutzt unser Rezept, unser heimisches Wasser für das Kinzz, das etwa 5 bis 5,2 Prozent Alkoholgehalt haben wird. Es soll für alle zu schmecken sein: Wir brauen Bier, weil wir Bier lieben. Das Bier aus unserem Kinzigtal.“

Das Bierbrauen in Wächterbach hat eine lange Tradition: Seit 1578 wurde in der fürstlichen Brauerei Bier gemacht. Im September 2001 zum letzten Mal, wobei dieses Bier bereits nach Würzburg in die dortige Brauerei gefahren und dort abgefüllt wurde. Einige Zeit betrieb die „Würzburger“ das Label „Wächtersbacher Fürstenpils“ weiter, um es dann als Marke einschlafen zu lassen. Lediglich eine Episode blieb die „Bürgerbräu Brauereigenossenschaft“, die das sogenannte „Bürgerbräu“ zu etablieren suchte und letztlich 2017 finanziell scheiterte.

VON ANDREA EULER