Das Ackerland erhalten

Landwirtschaftliche Arbeit aus der Vogelperspektive. Die Bauern, wie hier in Wächtersbach, bestellen ihre Felder. Foto: Axel Häsler

Kreisbauernverband sieht Solaranlagen-Boom auf Freiflächen kritisch.

Main-Kinzig-Kreis – Der Kreisbauernverband Main-Kinzig übt Kritik an bevorzugten Standorten von Photovoltaik-(PV)-Anlagen. „Sie sprießen gerade überall aus dem Boden“, schreibt der Verband in einer Mitteilung. Und zwar „dort, wo Weizen, Roggen, Raps oder auch Gerste gedeihen soll: Auf Ackerland oder wie Solar-Firmen es deklarieren: ungenutzter Fläche.“

Überall sei es Thema, ob und vor allem wo PV-Anlagen errichtet werden sollen. Der Verband stellt zur Debatte, ob es die leeren Gemeinde-Kassen sein könnten, die die Energiewende vorantrieben.

Erschreckend sei, dass die Entscheidungen bezüglich der Ortswahl oft landwirtschaftlich genutzte Fläche wie Ackerland als optimalen Standort anpriesen. Das Argument, schreibt der Bauernverband, sei oft, dass es sich um Ackerfläche mittlerer Qualität oder benachteiligte Fläche handele. Die Einstufung sei aber nicht damit gleich zu stellen, dass hier nur mittelmäßige oder schlechte Erträge generiert werden.

„Natürlich, Photovoltaik-Anlagen und weitere erneuerbare Energien sind ein wichtiges Thema, eine wegweisende Entscheidung und unumgänglich bei einer erfolgreichen Energiewende“, schreibt der Verband. Er fürchtet aber, dass es auf Kosten der Landwirte und deren bewirtschafteten Flächen umgesetzt werde.

Eingriffe in die Natur seien bei den meisten Baumaßnahmen unvermeidbar. Das Bundesnaturschutzgesetz verpflichte den Bauherrn für betroffene Areale sogenannte Ausgleichsflächen zu schaffen. „Das gilt jedoch nicht für Ackerland“, so der Verband. „Hier muss trotz des Baus einer Photovoltaik-Freiflächen-Anlage keine Ausgleichsfläche geschaffen werden, denn die Entstehung von Grünland unter der PV-Anlage ist dann die Ausgleichsfläche für eben diesen Eingriff.“ Das sei ein Grund, warum für die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen gerne Ackerflächen genutzt würden.

Das neu entstandene Grünland sei ökologisch gesehen mehr Wert und werde in Folge als Aufwertung deklariert. Angepriesen werde oft auch, dass baurechtlich die Rückführung zu einer landwirtschaftlichen Fläche vertraglich vereinbart werden könne. „Dies mag so stimmen, naturschutzrechtlich funktioniert das aber nicht einfach so“, heißt es in der Mitteilung.

Weiteres Argument sei, dass auf der Ackerfläche hauptsächlich Tierfutter entsteht und der Ertrag nicht für die Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzt werde.

„Wenn es kein Tierfutter gibt, bedeutet es im Umkehrschluss, dass wir kein Fleisch mehr zu essen haben, der morgendliche Kaffee ohne Milch getrunken oder das Sonntags-Ei zum Frühstück künftig ausfallen wird.“ Ohne Tierfutter fehlten auch Lebensmittel. Außerdem würde in der Tierhaltung organischer Dünger produziert. „Die Tierhaltung ist also wichtig und nötig, um den Düngekreislauf zu schließen und weiterhin einen guten Ertrag zu erzielen, damit wir nach wie vor hochwertige und ausreichende Lebensmittel erzeugen und erwerben können.“

Das Gras unter der Photovoltaik-Anlage sei als Futter für Schafe vorgesehen. „Wo sollen diese Schafe denn auf einmal alle herkommen und wer kümmert sich um diese Tiere?“, fragt der Verband. „Vielleicht lassen sich da ein paar Herden aus Irland oder Neuseeland importieren. Der Beruf des Schäfers scheint aktuell auch beliebter zu werden“, folgern die Bauern ironisch. Einige Umspannwerke kämen mit großen PV-Anlagen an ihre Grenzen. „Als Beispiel kann man hier das Umspannwerk an der Eisernen Hand (Bad Orb) nennen“, schreibt der Bauernverband. „Können dann überhaupt noch Anlagen auf größeren Dachflächen realisiert werden, wenn die Grenze eines Werkes schon erreicht wurde? Das sollte im ersten Schritt auch geprüft werden.“ Auch hier bekomme man keine genaue Antwort.

Die Bauern fordern, dass eine seriöse Alternativsuche nach Flächen stattfindet, bevor Ackerflächen besetzt werden. „In den Gemeinden und Städten sind nach wie vor genug ungenutzte Dachflächen auf öffentlichen Gebäuden“, heißt es. Dächer von gewerblichen Bauvorhaben wie Lagerhallen würden oft nicht als Fläche für die Energieerzeugung eingeplant. „Die Bewilligung solcher Vorhaben sollte die Errichtung solcher Anlagen voraussetzen, vor allem um das Argument fehlender statischer Voraussetzungen vorzubeugen“, schreibt der Verband.

Gemeinden sollten davon absehen, PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen zu errichten. „Die transparente Darstellung unterschiedlicher Alternativen, um eine objektive Entscheidung zu treffen und um ebenfalls sicherzustellen, dass keine finanziellen Interessen Einzelner eine Rolle spielen, sollte Voraussetzung sein.“ Die Nahrungsmittelknappheit sei zu Zeiten des Ukraine-Kriegs präsenter geworden. Sie „sollte ein genauso wichtiges Thema wie die Energiewende sein.“  sem