Fachkräfte dringend gesucht

Mehr als 730 000 Menschen leben in Deutschland in Alten- und Pflegeheimen. Fast alle Einrichtungen suchen dringend Fachkräfte. Archivfoto:: Christoph Schmidt/dpa

Weil Fachpersonal fehlt, bleiben Altenheimplätze unbesetzt.

Main-Kinzig-Kreis – Es ist noch nicht lange her, da hat der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) heftig Alarm geschlagen: In Alten- und Pflegeheimen werden immer weniger Betten belegt. Grund: fehlendes Personal. Trotz der hohen Nachfrage nach Plätzen lag laut einer bpa-Befragung von 3000 Einrichtungen die durchschnittliche Belegung bei nur 87 Prozent. Ende 2019 waren es laut Pflegestatistik noch fast 91 Prozent. Das hat Auswirkungen auf die Menschen, die einen Pflegeplatz benötigen. Aber auch auf die Einrichtungen, die Umsatzverluste einfahren. Wie sieht es bei uns vor Ort aus?

Von einer „herausfordernden Situation“ spricht Marco Maier, Geschäftsführer der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises (APZ). Knapp 990 Plätze bieten die APZ-Einrichtungen an den 13 Standorten zwischen Hanau und Sinntal. Weil Personal fehlt, „kalkulieren wir im laufenden Jahr 2024 vorübergehend mit etwa 70 Plätzen im gesamten Unternehmen niedriger“, heißt es auf Anfrage. Fürs Wohnstift Hanau an der Lortzingstraße, mit 320 Plätzen die größte Altenpflegeeinrichtung im Kreis, rechnete man mit 25 Plätzen, die wegen fehlendem Personal nicht belegt werden können. Die Martin-Luther-Stiftung, die an insgesamt neun Standorten in Hanau, dem Main-Kinzig-Kreis und Bad Salzschlirf (Kreis Fulda) 608 Plätze in der vollstationären Pflege anbietet, sucht für 14 ihrer insgesamt 500 Personalstellen in Pflege und Betreuung Fachkräfte. Auswirkung auf die Auslastung haben die offenen Stellen laut Luther-Stiftung aber nicht. Die vollstationären Pflegeplätze seien aktuell zu 99 Prozent belegt, heißt es. „Wir mussten bisher keine Wohnbereiche schließen oder Zimmer wegen Personalmangels aus der Belegung nehmen“, so Britta Hofmann-Mumme, Sprecherin der Martin-Luther-Stiftung. Ausnahme: der Bereich der Gerontopsychiatrie. Dort werden Senioren mit Demenzerkrankungen und depressiven Störungen betreut. In Hanau ist ein gerontopsychiatrischer Wohnbereich geschlossen, weil er komplett saniert wird. Die Arbeiten sollen bis in den Sommer hinein dauern. Dann will man die Zimmer wieder normal belegen.

Anders bei den Alten- und Pflegezentren des Kreises. Dort liegt die Belegungsquote bezogen auf alle Einrichtungen bei 94 Prozent. „Gerne würden wir vor allem vor dem Hintergrund der immer weiter steigenden Nachfrage die Belegung sofort auf nahezu 100 Prozent erhöhen“, heißt es auf Anfrage von Geschäftsführer Maier. „Wir können dies aber derzeit aufgrund offener Pflegestellen nicht.“ Dass Betten aus Personalmangel nicht belegt werden können, hat freilich auch Auswirkungen auf die Finanzen der Einrichtungen. Die Lage sei beängstigend, klagte bpa-Präsident Frank Meurer bereits im Vorjahr gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Eine Vorgabe der Pflegekassen, die mit den Einrichtungen die Pflegesätze verhandeln, ist, dass immer mit einer Auslastung von 98 Prozent zu kalkulieren ist – „egal, wie die Realität ist“, erklärt Marco Maier. Das bedeute beispielsweise für die kreiseigenen Alten- und Pflegeeinrichtungen bei einem Prozent Minderbelegung 500 000 Euro Umsatzverlust bezogen auf das Gesamtunternehmen. Maier: „Das ist für uns – neben der schwierigen Situation der Menschen, die einen Pflegeplatz benötigen – eine herausfordernde Situation.“ Bleibt ein Pflegeplatz unbesetzt, gibt es auch keine Einnahmen.

„Langfristig gesehen kann eine geringe Belegung natürlich zur finanziellen Schieflage eines Trägers führen“, erklärt die Martin-Luther-Stiftung grundsätzlich. Das sei bei ihr aber „nicht der Fall“. Auch das Pflegezentrum Mainterrasse in Steinheim sucht zwar „ständig neue Mitarbeiter“, sagt Manfred Maaß, bis Ende 2023 Geschäftsführer der Einrichtung und nunmehr Chef der Mainterrasse Service GmbH. Das Pflegezentrum, das 108 Plätze bietet, sei zu über 98 Prozent ausgelastet.

Im Hanauer Wohnstift liegt hingegen die Auslastung aktuell bei 90 Prozent – Tendenz steigend, heißt es vom Kreis. Hintergrund: Der Wohnbereich mit 30 Betten blieb während beziehungsweise nach der Corona-Pandemie geschlossen. Man habe sich auf die sieben anderen Wohnbereiche konzentriert, um so die höheren Ausfallzeiten beziehungsweise Krankheitstage des Personals während Corona aufzufangen. „Mit dieser Maßnahme konnten wir zuverlässig die Versorgung der übrigen Bewohner sicherstellen.“ Seit Ende vorigen Jahres ist der Wohnbereich 8 wieder geöffnet, nachdem Personal neu eingestellt werden konnte. Man befinde sich derzeit in einer „vorsichtigen, aber stetigen Belegungsphase“, melden die APZ.

Um dringend benötigte Fachkräfte zu finden, unternehmen die Altenpflegeeinrichtungen einiges. Das reicht von klassischen Stellenanzeigen über Internetaktivitäten bis zur Präsenz auf Social-Media-Kanälen und der Teilnahme an Messen. Die Martin-Luther-Stiftung verweist auf ihre Ausbildung als „wichtige Säule in der längerfristigen Personalgewinnung“ und ihre seit drei Jahren bestehende eigene Abteilung „Zentrale Praktische Ausbildung“.

Und wie steht es um die Wartezeit auf einen Heimplatz? Bei der Martin-Luther-Stiftung hält man sich bedeckt. Klassische Wartelisten gebe es nicht, eine durchschnittliche Wartezeit für einen Pflegeplatz sei nicht ermittelbar. Die Alten- und Pflegezentren des Kreises werden konkreter. „Wir beobachten schon seit dem letzten Jahr, dass die Nachfrage nach stationären Pflegeplätzen immens angestiegen ist“, heißt es. Das könne an den Schließungen im gesamten Bundesgebiet liegen, aber auch daran, „dass ab einem bestimmten Zeitpunkt die ambulante Pflege im häuslichen Umfeld nicht mehr ausreichend ist, um Menschen gut zu versorgen.“ Pro Monat stehen 125 neue Bewohner auf der Warteliste für die 13 Standorte. „Leider können wir zum einen aufgrund unserer Platzmöglichkeiten rein quantitativ, aber auch aufgrund der Personalknappheit nur etwa die Hälfte kurzfristig bedienen.“ Immerhin sind die Wartezeiten beim Wohnstift Hanau dank Neueinstellungen wieder zurückgegangen. Von „ein bis zwei Wochen“ ist die Rede.

Laut Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD) beträgt nach Angaben der Alten- und Pflegezentren des Kreises der Bruttojahreslohn eines Altenpflegers mit drei Jahren Berufserfahrung 45 430,49 Euro – mit allen Zulagen, Zuschlägen, Jahressonderzahlung und Leistungsentgelt, aber ohne Inflationsausgleichszahlung. Ab März greifen Tariferhöhungen. Dann kommt ein Altenpfleger mit dreijähriger Berufserfahrung auf einen Jahreslohn von 50 509,84 Euro, wiederum gerechnet mit allen Zulagen, Zuschlägen, Jahressonderzahlung und Leistungsentgelt. Gemäß Sozialgesetzbuch müssen in allen Pflegeeinrichtungen Gehälter gezahlt werden nach den geltenden Tarifverträgen oder dem kirchlichen Arbeitsrecht. Daher muss im Branchenvergleich der gleiche Lohn wie in den APZ gezahlt werden, teilt der Kreis auf Anfrage mit.

Von Christian Spindler