Gefährdung für Haus und Garten

Mit Wildkameras hat Heinz Ross das nächtliche Treiben von Waschbären dokumentiert, unter anderem, wie sich ein Tier an einer Futterstelle bedient. Foto: Privat

Er hat ein niedliches Gesicht und sieht mit seiner charakteristischen Fell- und Gesichtsfärbung putzig wie ein Kuscheltier aus: der Waschbär. Doch das Aussehen täuscht.

Region – Das Tier, das 1934 am Edersee ausgesetzt worden war, ist eine Gefahr für viele geschützte Tierarten, steht deshalb auf einer EU-Liste invasiver Arten und kann sogar für den Menschen als möglicher Überträger von Krankheiten gefährlich werden.

„Der Waschbär ist ein Beutegreifer und Allesfresser, der eine hohe Reproduktionsrate aufweist, also sich rasch und zahlreich vermehrt, und der keine natürlichen Feinde hat“, beschreibt der engagierte Naturschützer und Jäger Heinz Ross die Art, die eigentlich aus Nordamerika stammt. „Im Gegensatz zum Fuchs ist der Waschbär ein sehr guter Kletterer, hat eine feine Nase und ist zudem sehr fingerfertig und geschickt, sodass er nicht nur für Bodenbrüter, sondern auch für Baumbrüter eine Gefahr darstellt.“ Die Tiere verlieren auch immer mehr die Scheu vor dem Mensch, dringen in Dörfer und sogar in Städte vor und richten dort nicht unerhebliche Schäden an Gebäuden, Grundstücken und Gärten an.

„Der Waschbär ist eine große Gefahr für heimische Bodenbrüter wie Bachstelze, Feldlerche, Braunkehlchen, Wiesenpieper, Kiebitz oder Bekassine. Er plündert sogar die Nester von Rotmilan und Schwarzstorch, wenn sie nicht durch Schutzgitter gesichert werden. Auch junge Feldhasen fallen dem Räuber, der ausschließlich nachts auf Beutefang ist, zum Opfer“, zählt Heinz Ross, der im Nidderauer Junkernwald eine Jagd betreibt, auf. Selbst vor Nistkästen macht der Waschbär nicht halt, „etwa zehn Prozent dieser Bruthilfen wurden allein im vergangenen Jahr auf dem Gelände des Wildparks Alte Fasanerie in Klein-Auheim von dem Räuber geplündert“. Dort ist Heinz Ross Mitglied im Förderverein und kümmert sich ehrenamtlich um rund 100 Nistkästen. „Zum Schutz wurden jetzt die meisten der Nistkästen zusätzlich mit Draht gesichert“, berichtet der Naturschützer im Gespräch mit dieser Zeitung.

Allein in seinem Revier fängt der Jäger pro Jahr etwa 15 Waschbären in Lebendfallen, weil eine Bejagung kaum möglich ist. „In Hessen hat der Räuber Waschbär eine Schonzeit, das Wildkaninchen aber nicht“, wundert sich Heinz Ross. Es gehe nicht darum, die Tierart auszurotten, unterstreicht er, sondern die Population so gering zu halten, dass der Bestand der anderen, vom Waschbären bedrohten Arten, gesichert bleibt.

„Die gefangenen Kleinbären werden getötet und die Kadaver – zum Beispiel auch die von überfahrenen oder verendeten Tieren – an dem sogenannten Luderplatz im Wald abgelegt, der von Kolkraben, Milan, Bussard, Eulen und anderen Aasfressern regelmäßig frequentiert wird. Innerhalb kürzester Zeit ist der Kreislauf der Natur geschlossen“, stellt der Waidmann fest.

Auch in Wohnhäusern, Schuppen und Gärten hat der Waschbär schon reichlich Schaden angerichtet. „Ruft der Eigentümer die Polizei, dann verweist die in der Regel auf die Feuerwehr. Der gelingt es dann vielleicht zufällig per Netz, das Tier einzufangen, und es landet in einem eh schon überfüllten Tierheim. Oder ein Kammerjäger wird beauftragt, aber dann wird es teuer: mit der Beobachtung mit einer Wildtierkamera und den daraus folgenden aufwendigen Schutzmaßnahmen gegen den Eindringling am Gebäude“, betont Heinz Ross. „Für die Bisamratte, die Schäden vor allem an Uferbefestigungen anrichtet, gibt es einen speziell Beauftragten, warum nicht auch für den Waschbären?“, fragt sich der Naturschützer.

Ein für den Menschen weit wichtigerer Aspekt werde in der Diskussion über die Eindämmung der Waschbärenplage meistens vergessen. Die Tiere sind nämlich auch potenzielle Krankheitsüberträger, hat das Projekt Zowiac der Goethe-Universität Frankfurt ergeben. In einem Artikel der Fachzeitschrift des Hessischen Jagdverbands heißt es, 95 Prozent der untersuchten Tiere seien Überträger von Zoonosen (Infektionskrankheiten, die wechselseitig vom Tier zum Menschen übertragen werden) wie dem eingeschleppten Waschbärspulwurm. Die Tiere dienen außerdem als „Reservoirwirte für Coronaviren, Lyssavieren (Tollwut), canine Staupeviren und das West-Nil-Virus“. Die Studie, heißt es weiter, mache aber auch die „katastrophalen ökologischen Auswirkungen deutlich. So wurde in einem zu untersuchenden Gebiet durch eine Gruppe Waschbären eine ganze Population Kröten ausgerottet.“ Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass auch Fledermäuse, Ringelnattern oder Sumpfschildkröten durch den Waschbären bedroht sind.

Von Thomas Seifert