Das Idyll der Romantiker

Eine Führung durch Hof Trages gibt einen Einblick in die spannende Historie des herrschaftlichen Anwesens

Freigericht – Das Wandbild mit der grau in grau gehaltenen Szene der hochmittelalterlichen Dichterkrönung sollte vermutlich eine Huldigung an die Gäste sein, die in diesem Zimmer zeitweilig wohnten. Die Liste der Personen, die im Herrenhaus von Hof Trages zu Beginn des 19. Jahrhunderts logierten, liest sich wie ein Who-is-who der Heidelberger Romantik. Clemens Brentano und Achim von Arnim, die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm, die Dichterinnen Bettina Brentano und Caroline von Günderode. Ob die einstigen Bewohner die „poeta laureatus“ angenommen hätten, wenn sie denn nicht bereits 1806 eingestellt worden wäre? Am Rande: Goethe jedenfalls lehnte – wie andere Schriftsteller auch – dieses Ehrungsrelikt einer herrschaftlicher Institution ab.

Das Gut, einst an der Birkenhainer Straße gelegen, einer einstigen Heer- und Handelsroute, gilt als ein bedeutender Treffpunkt und Rückzugsort der Romantiker. Brentano soll in dem Dichterzimmer auch sein Märchen „Gockel, Hinkel und Gackeleia“ geschrieben haben. Als Handlungsort wird die Klosterruine im Wolfgänger Wald angenommen. Ein Ort der Dichter und Denker ist Trages heute nicht mehr. Dort finden sich nun vornehmlich Golfer, Besucher des Restaurants und eines Kosmetikstudios ein. Beim Anlegen des seinerzeit umstrittenen 18-Loch-Platzes in den 1990er Jahren wurde sogar der historische Handelsweg um 1000 Meter verlegt, damit Wanderer von fliegenden Hartgummibällen unbeschadet bleiben, heißt es. Für Musikfreunde ist Trages seit 25 Jahren eine wichtige Adresse. Ein guter Anlass ist das für den Freigerichter Geschichtsverein, Besucher einen Einblick in die Historie und in einige Räumlichkeiten des Gutes zu geben, dessen wechselvolle Geschichte im 9. Jahrhundert mit einer Rodung für eine Siedlung begann.

Seit dem 18. Jahrhundert befindet sich das Gut im Besitz der Familie von Savigny. Warum dieser Ort, umgeben von Wald und Feldern zwischen den Dörfern Somborn, Albstadt und Oberrodenbach, zu einem Anziehungspunkt für die Romantiker wurde, lässt sich mit der Person Friedrich Carl von Savigny erklären, dem späteren Rechtsgelehrten und preußischen Minister. Während seines Studiums in Marburg und über Bekannte entwickelten sich früh Kontakte etwa zu Günderode, von Armin oder Brentano. Trages lag idyllisch, aber war anders als heute kein Platz für gepflegte Freizeitgestaltung. Dort bestimmte noch die Landwirtschaft den Betrieb, die für ihre Zeit als überaus fortschrittlich beschrieben wird.

Der Schriftstellerkreis bildete sich auf Trages auch wegen zweier Gemeinsamkeiten, wie Horst Soldan bemerkt, seit drei Jahrzehnten Vorsitzender des Freigerichter Geschichtsvereins. „Sie waren alle um die 27 Jahre alt und Teil- oder Vollwaisen“, heißt es. Das galt auch für Friedrich Carl von Savigny, der im Alter von 13 Jahren zum Waisen wurde und dessen elf Geschwister bereits früh verstarben. Das Gut erbte er vom Vater, der Geheimer Regierungsrat beim Isenburger Fürsten war.

Der Hof Trages, den die Romantiker kannten, etwa mit dem mittlerweile in die Landschaft eingewachsen wirkenden Günderode-Haus, in dem die Dichter des Öfteren quartiert haben sollen, erhält in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein neues Zentrum, das Schloss samt der Kapelle mit der Gruft. Die Neubauten wurden unter dem Einfluss des seinerzeit vorherrschenden Historismus’ errichtet. Das Neobarock nimmt das Barock der beiden Häuser am Wirtschaftshof auf. Das bewohnte Schloss bildet seit 2018 die Kulisse der Musiktage, die zuvor ihre Bühne im Wirtschaftshof des Guts hatten.

Die nun zu Ende gegangene 25. Spielzeit stimmt den Förderverein zufrieden, heißt es vom Vize-Vorsitzenden Helmuth Smola auf Anfrage dieser Zeitung. Die beiden Konzerte in der Kapelle seien mit jeweils 100 Besuchern – mehr passen nicht hinein – ausverkauft gewesen. Die drei großen Aufführungen aus Klassik und Jazz im Freien vor dem Schloss seien mit jeweils rund 600 Gästen ebenfalls sehr gut besucht worden. „Zum Jubiläum gab es zudem ein Wandelkonzert mit mehreren musikalischen Stationen“, so Smola. Auch hierbei sei die musikalische Vielfalt nicht zu kurz gekommen. „Wir haben vor 25 Jahren mit einem Konzert angefangen, mittlerweile dauert die Spielzeit eine Woche. Überdies kommen Gäste nun auch aus der weiteren Umgebung“, sagt Smola, der die Sommerlichen Musiktage von Anfang an begleitet hat.

Weitere Informationen: Führungen zu den Orten des Romantikerkreises auf Hof Trages auf Anfrage beim Heimat- und Geschichtsverein Freigericht, Horst Soldan, z 06055 3737.

Von Detlef Sundermann

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