„Stehen in der Fläche kurz vor dem Zusammenbruch“

Die Leiterin des Gelnhäuser Tierheims, Corina Wink, mit Thomas Schröder vom Deutschen Tierschutzbund und Ute Heberer vom Landestierschutzverband Hessen (von rechts) bei der Begehung des Tierheims. Foto: Per Bergmann

Im Rahmen seiner „Tierheimtour in Hessen“ hat der Deutsche Tierschutzbund das Tierheim in Gelnhausen besucht. Gemeinsam machten die lokalen und überregionalen Tierschützer auf die derzeit schwierige Situation der Tierheime aufmerksam.

Gelnhausen – Im Mittelpunkt der Rundreise des Tierschutzbundes stehen die praktischen und finanziellen Herausforderungen für Tierheime, von denen die meisten als Vereine organisiert sind, während sie gesellschaftlich unverzichtbare Arbeit leisten.

„Gestiegene Kosten für Energie, Futter, Gehälter und tierärztliche Behandlungen – bei gleichbleibender Finanzierung der Kommunen – machen vielen Vereinen zu schaffen“, schilderte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, bei seinem Besuch in Gelnhausen die derzeitige Problematik.

Die schwierige Finanzierungssituation der Einrichtungen sei jedoch keine aktuelle Entwicklung, sondern bestehe „im Prinzip seit Jahrzehnten“. Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine hätten zuletzt aber auch die Arbeit des Tierschutzes zunehmend erschwert. „Hinzukommen rückläufige Adoptionen, immer mehr schwer vermittelbare Hunde und der beständige Kampf gegen das Leid von Straßenkatzen oder Stadttauben“, berichtete Schröder über weitere Herausforderungen.

Die Leiterin des Gelnhäuser Tierheims, Corina Wink, freute sich über den Besuch des Tierschutzbundes, „um über die Probleme vieler Tierheime zu reden“, über vielfältige Aufgaben, gestiegene Ansprüche, einen höheren Organisationsaufwand, zu viel Bürokratie, die schwierige Personalsituation und ein Finanzierungssystem, das der wichtigen Arbeit, die täglich in Tierheimen geleistet wird, nicht gerecht zu werden scheint.

Die jährlichen Kosten der Einrichtung in Gelnhausen würden sich auf rund 400 000 Euro belaufen, von denen etwa 40 000 Euro im Rahmen sogenannter Fundtier-Erstattungen von kommunalen Behörden bezahlt werden. Hinzu kommen Erstattungen von Tierarztkosten, die jedoch auch „längst nicht mehr kostendeckend“ seien, betonte Wink.

Durchschnittlich würden Tierheime in Deutschland „lediglich zu 25 Prozent über Steuermittel finanziert“, erklärte Schröder, „der Rest muss über Spenden und von den Vereinen selbst abgedeckt werden“.

So entwickle sich der Tierschutz mehr und mehr zum „Ausputzer staatlichen und gesellschaftlichen Versagens“, fand Schröder drastische Worte, um die prekäre Lage der Einrichtungen zu verdeutlichen. Was er in Tierheimen beobachte, sei „Arbeiten am Limit – kurz vor dem Burnout“, so der Präsident des Tierschutzbundes. Wie nah er damit an der Wahrheit liegt, machte Wink deutlich, die sichtlich gerührt kurz innehalten und sich sammeln musste, während sie über die Hürden sprach, die der tägliche Arbeitsalltag für sie und ihre Kolleginnen bereithält. „Zu viele Leute glauben immer noch, Tierschutz werde schon irgendwie finanziert“, so Wink. Dem sei aber eben nicht so – und mit der schwierigen Finanzierung würden die Probleme der Tierheime längst nicht aufhören. „Wir bekommen immer mehr schlecht erzogene, schwierige Hunde“, deren Verweildauer im Tierheim naturgemäß lang sei, erklärte Ute Heberer vom Landestierschutzverband Hessen.

„Manche Menschen drohen mehrfach, ihre Tiere euthanasieren zu lassen, wenn wir sie nicht aufnehmen“, so Heberer. Dabei gebe es längst „in allen Tierheimen Wartelisten für Abgaben“. Gleichzeitig würden zu viele Menschen „Trend-Hunderassen bei Ebay kaufen“, wie Französische Bulldoggen, die teilweise so überzüchtet seien, „dass sie kaum atmen können und wir sie operieren lassen müssen“. Zu immer mehr Hunden in Tierheimen gesellt sich aktuell eine „Flut an Katzen, die wir nie hatten – darunter viele kranke Tiere“, erklärte Heberer. Leider gebe es bis heute „keine Regelung zur systematischen Kastration von Wildkatzen“. Insgesamt werden die Momente der „gefühlten Handlungsunfähigkeit“ für das Personal in Tierheimen häufiger, die „emotionale Belastung angesichts zahlloser Einzelschicksale von Tieren“ höher, stellte Wink klar.

„Wir stehen kurz vor einem Zusammenbruch in der Fläche“, mahnte Schröder. Neben den Tierschutz- seien es „zunehmend auch Arbeits-schutz-Fragen“, mit denen sich Tierheime auseinandersetzen müssen. „Wir werden den Mut nicht verlieren und weiter zusammenstehen“, suchte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes abschließend aufmunternde Worte für das Team in Gelnhausen, bevor er seine Tour durch Hessens Tierheime fortsetzte.

Von Per Bergmann