Zähes Ringen um den Brexit

Udo Bullmann (SPD), MdEP

Nun wird wieder gewählt in Großbritannien - nachdem auch die Oppositionsparteien Neuwahlen zugestimmt haben, wird am 12. Dezember wieder ein neues Parlament gewählt. Grundsätzlich ist es sicherlich richtig, den Premierminister und seine Regierung demokratisch legitimieren zu lassen. Schließlich konnte der aktuelle Premier Boris Johnson lediglich von den 160.000 Mitgliedern seiner Tory-Partei, etwa 0,35 Prozent der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs, gewählt werden. Ob sich aus dieser Neuwahl ein Ausweg aus der höchst vertrackten Situation in Sachen Brexit ergibt, ist jedoch weiterhin fraglich.

Eigentlich hätte der Brexit schon vor über einem halben Jahr, am 31. März, vollzogen sein sollen. Dies scheiterte jedoch an innerparteilichen Querelen der Konservativen und einem komplett blockierten Parlament in Westminster. Daraufhin gewährten die EU-Staaten Großbritannien einen siebenmonatigen Aufschub. Boris Johnson nutzte die - erneute - Fristverlängerung, um sich an die Spitze der Tory-Partei und der britischen Regierung zu setzen. Als Premier Johnson kurz vor Ablauf der neuerlichen Austrittsfrist doch noch neue Vorschläge zur Abwicklung des britischen EU-Austritts unterbreitete, begannen Anfang Oktober in aller Eile erneute Verhandlungen mit der EU. Und tatsächlich zeitigten diese kurz vor Beginn des entscheidenden Gipfels der Staats- und Regierungschefs Mitte des Monats auch kaum noch für möglich gehaltene Ergebnisse: So liegt dem Europäischen Rat und den Parlamenten in Straßburg und London nun ein überarbeitetes Austrittsabkommen zur Ratifizierung vor.

Während die im Rat vertretenen Regierungen der Mitgliedstaaten dem abgeänderten Abkommen bereits zustimmten, hegen das Europaparlament und große Teile der britischen Volksvertretung erhebliche Zweifel an den darin enthaltenen Bestimmungen.

So werden komplexe Vereinbarungen zum Status von Nordirland getroffen, das, um den dortigen Friedensprozess nicht zu gefährden, keinesfalls durch eine geschlossene Grenze von der Republik Irland getrennt werden darf. Das Europaparlament hat klargestellt, dass es das neue Abkommen gründlich prüfen wird. Auch muss das Abkommen vor einer möglichen Abstimmung im Europaparlament vom britischen Parlament ratifiziert werden. Dieses hat sich seinerseits ausbedungen, die Beratungen in der ihm angemessen scheinenden Zeit durchzuführen und sich nicht von Boris Johnson hetzen zu lassen.

Angesichts der sich neuerlich anbahnenden Blockade der britischen Politik hat die EU Großbritannien nochmals einen Aufschub von drei Monaten bis zum 31. Januar 2020 gewährt, um das ansonsten drohende Chaos eines ungeregelten EU-Austritts des Vereinigten Königreichs zu verhindern. In der Hoffnung, damit den sprichwörtlichen Gordischen Knoten zu durchschlagen, beschloss das britische Unterhaus daraufhin die Ansetzung von Neuwahlen am 12. Dezember. Nach wie vor warten wir also auf die Herstellung klarer Verhältnisse im Vereinigten Königreich. Nichts scheint gewiss - außer der Feststellung, dass der britischen Politik unter den gegebenen Umständen kaum zuzutrauen ist, die quälende Frage des ‚wie weiter?’ zu beantworten. Vor diesem Hintergrund scheint es ebenso notwendig wie sinnvoll, die Entscheidung darüber, ob das Vereinigte Königreich unter den Bedingungen aus der EU ausscheiden soll, an die Bürgerinnen und Bürger zurückzugeben.