Ausbildung im Fokus

Unternehmerfrühstück bringt die heimische Wirtschaft bei Heraeus in Hanau zusammen.

Main-Kinzig-Kreis – Rund 80 Vertreterinnen und Vertreter von Firmen und Berufsverbänden haben vergangenen Dienstag die druckfrische Ausgabe des neuen Wirtschaftsmagazins in Empfang genommen, das zweimal im Jahr im Verlagshaus von HANAUER ANZEIGER und OFFENBACH-POST erscheint. Diesmal hat es die heimische Automobilbranche zum Schwerpunktthema. Präsentiert wurde die Ausgabe wie immer im Rahmen eines Unternehmerfrühstücks. Die Netzwerkveranstaltung fand diesmal in den Räumen des Hanauer Technologiekonzerns Heraeus statt.

Die Veranstaltung wurde von Redaktionsleiterin Yvonne Backhaus-Arnold und Holger Weber-Stoppacher moderiert und drehte sich vor allem um das Thema Ausbildung. Heraeus war prädestiniert für das Thema, stellt das Unternehmen doch deutschlandweit im Jahr rund 350 Berufsanfänger ein.

Den Fachkräftemangel, etwa durch die zunehmende Verrentung der sogenannten Babyboomer-Generation, hätten Politik und Firmen schon vor zehn, 15 Jahren erkennen müssen“, merkte Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky in seinem Grußwort kritisch an. Dass es so weit gekommen sei, wie es sich heute darstelle, bewertete er als Unterlassung der Gesellschaft. Jetzt seien schnelle Lösungen gefragt wie qualifizierte Zuwanderung und Ausbildung. Es bedürfe hierzu jedoch nicht allein mehr Lehrstellen, sondern auch der nötigen Qualität der Ausbildung, damit die Anforderungen der Arbeitgeber erfüllt werden können. „Heraeus ist da ein Vorzeigeunternehmen, ein guter, weltweiter Botschafter“, so Kaminsky.

Dr. Martina Gieg, Group Human Resources Officer bei Heraeus, stellte heraus: „Ausbildung ist ein wichtiger Baustein, um Talente zu finden, die zum Erfolg eines Unternehmens beitragen.“ Allerdings bestehe eine der ersten Schwierigkeiten darin, überhaupt noch Jugendliche für eine Ausbildung zu bekommen, sagte Ausbildungsleiterin Karin Saar. Von 2007 bis 2015 sei die Zahl der Bewerbungen von 1715 auf 2992 gestiegen. Danach sei die Kurve gefallen, 2023 auf 875. „Beim Ausbildungsjahrgang 2023 liegen wir erstmals bei weniger als zehn Bewerbungen pro Stelle“, betonte Saar. In früheren Jahren seien es durchschnittlich doppelt so viele Kandidaten gewesen. Für Unternehmen wie Heraeus sei hierbei alarmierend, dass Bewerbungen auf Jobs in technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen (MINT-Fächer) gesunken seien.

Der Konzern könne den Nachwuchs kaum allein mit den Methoden früher Azubi-Akquirierung erreichen, so Saar. Messen und die klassischen Printwerbung seien nicht tot, da sie auch Multiplikatoren wie die Eltern ansprächen. Hingegen hätten sogenannte sozialen Medien wie Instagram keine Erfolge gebracht.

Das Chat-Medium WhatsApp habe sich gleichwohl als sinnvoller Weg erwiesen, um mit den Bewerbern in Kontakt zu bleiben. „Die beste Werbung für einen Ausbildungsplatz ist die Mund-Propaganda“, von Eltern, Verwandten oder Bekannten, heißt es. Laut Saar vertrauten die Bewerber in spe in hohem Maß Arbeitsplatzbewertungen von Mitarbeitern, die sie kennen.

Saar erklärte, dass bei einem modernen Ausbildungsbetrieb der Blick auf die Zeugnisnoten nicht mehr der erste sei. Wichtiger sei die Zahl der unentschuldigten Fehltage. Denn in Vergleich zu vorherigen Schülergenerationen gäbe es nicht nur andere Ansprüche an einen Beruf, – Betriebsklima, Freizeit oder Work-Life-Balance stünden nunmehr vor Karriere und Einkommen – auch die persönliche Eignung sei eine andere. „Mangelnde Selbstständigkeit, fehlende Eigenverantwortung“, nannte Saar in der späteren Diskussionsrunde. Hinzu komme eine geringere Belastbarkeit der Jugendlichen. In Seminaren ließen sich diese Defizite nicht ausgleichen. Bei Heraeus erfolge die soziale Kompensation „on the Job“, in Lerngruppen, wo die Persönlichkeit reifen könne. Das Unternehmen sei jedoch nicht in der Lage, etwa wie im Elternhaus, alle Hindernisse aus den Weg zu räumen.

Podiumsteilnehmer Rolf Nover, Obermeister der Kfz-Innung Offenbach, sah das „Hauptproblem bei den Schulen liegen“. Dort müssten die Jugendlichen besser auf das Berufsleben vorbereitet werden. Aber auch die Wissensvermittlung in den Hauptfächern hielt er für ungenügend.

Das Kfz-Gewerbe, das sich über Bewerber nicht beklagen könne, stellt jedoch ob der seit Jahren komplizierter werdenden Fahrzeugtechnik immer höherer Anforderungen an die Auszubildenden. Wie Saar wünscht er sich auch mehr Frauen in der Ausbildung, so wie Jasmin Schirrmann, die ebenfalls auf dem Podium saß. Die 19-Jährige absolviert eine Mechatronikerlehre bei Heraeus. Dass es immer noch zu wenige Frauen in technischen Berufen gibt, sah sie in den Schulen begründet, die für eine Praxiserfahrung nur den begrenzten Werkunterricht böten.

Von Detlef Sundermann

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