„Das Ehrenamt geht aktuell den Bach runter“

An der Basis arbeiten: Um die Wurzeln des Schiedsrichter-Mangels zu bekämpfen, wünscht sich Handball-Referee Jan Sommerfeld vor allem mehr Wertschätzung vonseiten der Vereine. Hier sieht der Ex-Bruchköbeler Björn Ehmer Gelb. Foto: Privat

Immer weniger Schiedsrichter engagieren sich im Amateurhandball – zu Lasten von Vereinen und Spielern. Jan Sommerfeld hat schon 3. Liga gepfiffen, rund um Hanau und Offenbach steht er weiter als Unparteiischer auf der Platte. Für den Referee-Rückgang sieht er klare Gründe und hat Ideen.

Linsengericht/Region – Die Zahlen zeichnen ein düsteres Bild. „Wir haben 31 Vereine, 13 davon mit einem negativen Schiedsrichter-Stand“, sagt Boris Wolf. Der 37-Jährige ist im Bezirk Offenbach/Hanau für die Neugewinnung von Schiedsrichtern zuständig. Bei der TSG Bürgel spielte er selbst Handball, bis hoch zur Landesliga. „Aktuell stehen uns ungefähr 200 Schiedsrichter zur Verfügung. Wir brauchen auf jeden Fall mehr.“ Ein Defizit von 21 Referees zählt Wolf für die aktuelle Saison, seit Jahren werden es immer weniger.

Viele Vereine schaffen es nicht mehr, die an die Mannschaftszahlen geknüpften Quoten zu erfüllen. Und das hat Konsequenzen: „Häufig besetzen wir Spiele erst ab der D-Jugend neutral, in den Jahrgängen davor ist das nicht möglich.“

Viel stärker treffen die Clubs allerdings die Sanktionen, die der Bezirk aussprechen kann. Dazu gehören Geldstrafen, aber auch Punktabzüge. In der Führungsriege des Handball-Bezirks macht sich der Mangel genauso bemerkbar: Seit Jahren ist der Posten des Schiedsrichterwarts unbesetzt. Von einer „aussterbenden Gattung“ spricht Wolf, wenn er über die Schiedsrichterschaft nachdenkt. Fazit: „Das Ehrenamt geht aktuell den Bach runter.“ Einer, der den Leistungs- und Amateurhandball als Spieler und Schiedsrichter kennt, ist Jan Sommerfeld. Mit dem Bürgeler Rene Lahaye bildete er jahrelang ein eingespieltes Referee-Gespann, stieg 2015 sogar in die 3. Liga auf. Im Breitensport ist der Gelnhäuser weiter für seinen Heimatverein TV Altenhaßlau als Unparteiischer aktiv.

Vor allem zwei Gründe fallen ihm ein, die den Schiedsrichter-Nachwuchs abschrecken: Geld und Wertschätzung. „Für ein Oberliga-Spiel bekommst du 50 Euro, in der Landesliga 40. Am Wochenende für 35 Cent pro Kilometer von Trebur nach Kassel zu fahren, acht Stunden unterwegs zu sein, das lohnt sich einfach nicht“, betont er.

Dann ist da noch der zweite Faktor, die Wertschätzung. „Ich erinnere mich, dass ein Verein mal 2,30 Euro zurückgefordert hat, die ich ihm zu viel in Rechnung gestellt habe.“ Dazu gesellt sich der teilweise herablassende Umgang in den Hallen. „Bei einem A-Klasse-Spiel ist mir ganz anders geworden. Du kommst hin, wirst aufs Übelste beleidigt. In der Halle sitzen zehn Leute, du hörst jedes Wort. Da ist mir die Hutschnur geplatzt. Am liebsten wäre ich einfach nach Hause gegangen.“

Momente, in denen sich Sommerfeld fragt, warum er seine Wochenenden mit den Nebengeräuschen des Amateurhandballs füllt. Dabei scheint die Antwort simpel: „Ich mache diesen Sport zeitlebens und möchte etwas zurückgeben. Ich finde, auch Spiele in unteren Ligen haben eine gute Schiedsrichterleistung verdient.“

Sommerfeld wird grundsätzlich. Um Anreize zu schaffen, damit mehr Menschen Schiedsrichter werden, sieht er die Clubs in der Pflicht: „Sie müssen bereit sein, auch mal Ressourcen in die Hand zu nehmen. Dazu gehören Coaching, Ausstattung. Es gibt Oberligavereine, bei denen Schiris nicht mal eine Tasche oder einen Trainingsanzug erhalten.“

Er sagt aber auch: „In Verband und Bezirk sollten wir mal dahingehen, wo es wehtut.“ Zum Beispiel Zuschauer belangen, die glauben, sie hätten einen Freifahrtschein für Fehlverhalten. Mehr Mut zeigen, wenn es darum geht, neue Wege zu beschreiten. Ein Konzept, bei dem erfahrene Handball-Schiedsrichter jungen Referee-Gespannen als Mentoren zur Seite standen, wurde im Bezirk Offenbach/Hanau vor einigen Jahren bereits nach wenigen Monaten gekippt, erzählt er. „Einfach deshalb, weil es Geld gekostet hat.“

Boris Wolf vom Handball-Bezirk will künftig noch aktiver an die Vereine herantreten, um für Nachwuchs zu werben. Außerdem sagt er: „Wir möchten mit neuen Strukturen arbeiten. Die Kommunikation digitaler gestalten, Lehrgänge mal online abhalten.“

Auch das Mentoring-Konzept würde Wolf in Zukunft gerne wiederbeleben. Auf lange Sicht könnte sich das alles durchaus auch für die Vereine lohnen – keine teuren Geldstrafen oder Punktabzüge mehr. Und keine Notwendigkeit, Referees extern anzuheuern.

VON JULIUS FASTNACHT