Die Fantasie / Von Helmut Müller Ei Gude, wie?

Helmut Müller

Fantasie ist, Erlebtes oder Gesehenes so fortzuschreiben, als sei es tatsächlich geschehen. Das ist eine kreative Fähigkeit des Menschen. Im heutigen Sprachgebrauch umfasst der Begriff „Fantasie“ in der Regel sowohl die Fähigkeit als auch das Resultat des „Fantasierens“. Manchmal wird der Begriff auch abwertend gebraucht im Sinne einer Fiktion beziehungsweise eines Hirngespinstes. Ja, das kann beileibe nicht jede/r. Dass macht aber fantasievolle Menschen aus. Ganz Große, wie die Gebrüder Grimm, haben zu ihrer Zeit solche Geschichten gesammelt und aufgeschrieben, wir nennen diese Geschichten Märchen. Besonders „Tagträumer“ können Geschichten entwickeln. Und wenn sie sie noch aufschreiben würden, würden sie der Nachwelt noch zugänglich sein. Die meisten von uns wollen das aber nicht.

Doch was sind Tagträume? Tagträume sind bildhafte, mit Träumen vergleichbare Fantasievorstellungen und Imaginationen, die im wachen Bewusstseinszustand erlebt werden. Also ich Tagträume manchmal gerne. Nicht vorsätzlich. Es kommt so über mich, auch situationsbedingt. Eine solche Situation ergab sich in meinem Garten. Nach getaner Arbeit, wenn ich mich auf meiner Liege ausruhte und das Treiben im Garten beobachtete. Bei aller Stille war doch ein beständiges Treiben im Garten, den ich mir mit vielen Mitbewohnern teilte. Erzählen will ich von zwei „Plagegeistern“ vieler Gärtner. Dem Maulwurf und der Wühlmaus. Wenn Sie sich über beide informieren wollen, stoßen Sie zuerst auf die Möglichkeiten, sie zu bekämpfen und zu vernichten. Die Kunst ist, mit ihnen im Einklang zu leben und ihre Fähigkeiten zu nutzen. Ich habe dem Maulwurf, ich nannte ihn Heinrich, gerne beim Ausstoßen von Erde zugeschaut. Gelegentlich konnte ich beobachten, wie er kurz aus dem Hügel herausschaute und schnell wieder verschwand. Maulwürfe sind Insektenfresser und Einzelgänger. Oder die Wühlmaus, ich nannte sie Henrike, die, wenn ich nicht mehr an den Beeten rum machte, die Ruhe nutzte und aus ihren Gängen neugierig herausschaute. Das musste ein weibliches Wesen sein. Wir schauten uns kurz an, dann verschwand sie wieder. Sicher ist sicher. Sie ernährt sich von Wurzelgemüse, Stauden und Kartoffeln. Bevor ich mich über meine Mitbewohner ärgerte und Versuche startete, sie loszuwerden, habe ich mich mit ihnen arrangiert. Wohl wissend, dass, wenn ich sie vernichte, bald ihre Verwandtschaft bei mir einzieht. Also habe ich sie für meine Gartenarbeit engagiert. Mein Garten bestand aus Lehmboden. Gärtner wissen, was das für einen körperlichen Einsatz mit sich bringt. Die These, lieber einmal gehackt als zweimal gegossen, trifft zu.

Heinrich lieferte mir mit seinem Aushub wunderbaren gelockerten Lehmboden und Henrike lockerte mir den oberen Beet-Boden. Und so arbeiteten beide für mich, während ich mich am Ausruhen labte. Heinrich habe ich seine Wiese naturbelassen und für Henrike etwas mehr an Wurzelgemüse gepflanzt. Freilich konnte sie zwischen Mein und Dein nicht unterscheiden, mein Ernteziel habe ich aber immer erreicht. Einmal habe ich beobachtet, wie Henrike in einem offenen Maulwurfhaufen entschwand. Ob sie nur gemeinsam ihre Gangsysteme nutzten, oder waren sie ein Paar? Sind ihre Nachfahren nun Maulmäuse oder Wühlwürfe? Ei Gude, wie!