Altersarmut / Von Helmut Müller Ei Gude, wie?!

Helmut Müller

Wir alle haben vor ihr Angst und die Zahl der Betroffenen wächst allmählich. Viele warnen schon lange vor ihr. An ihrer Spitze befinden sich der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Sozialverbände. Ich meine die Altersarmut.

Sie wird jetzt vor der Bundestagswahl, die in 88 Tagen ansteht, in den Fokus gerückt. Meiner Meinung nach zu Recht. Grund für die Altersarmut sind die niedrigen Renten. Ein Problem, das schon lange bekannt ist und das schon lange nicht angegangen wird beziehungsweise an den verkehrten Stellschrauben verändert wurde. Beschleunigt wurde es durch die falsche Politik nach der Wiedervereinigung im Jahre 1989. Damals hätte die Chance bestanden, einen großen Wurf zu landen, der bis weit in das nächste Jahrhundert positiv gewirkt hätte. Erinnern wir uns, der damalige Bundeskanzler Kohl meinte, die Wiedervereinigung aus der „Portokasse“ zahlen zu können. Dass er nebenbei von der Treuhand das „Tafelsilber“ der DDR verhökerte, sei hier nur am Rande erwähnt.

Ich will dadurch seine Leistung um die Deutsche Wiedervereinigung nicht schmälern, aber in diesem Punkt fehlte den handelnden Politikern von CDU/CSU und FDP der Mut und der Wille, unseren demokratischen Staat in Wohlstand für alle abzusichern. Es war politisch nicht gewollt. Schade. So wurden die circa 16 Millionen Menschen aus der DDR mit einem Federstrich in das westdeutsche Rentensystem integriert, obwohl sie nie eine Deutsche Mark in das System eingezahlt hatten. Der Kollaps des deutschen Rentensystems, das durch ein Umlageverfahren finanziert wird, war somit vorprogrammiert. Das heißt, dass die Beiträge der derzeitigen Beitragszahler unmittelbar als Renten an die derzeitigen Rentner ausgezahlt werden. Durch die Gutschrift von Entgeltpunkten erwerben sie gleichzeitig eigene Ansprüche auf Rente in ihrer Rentenbezugsphase, der sogenannte Generationenvertrag. Ferner erhält die gesetzliche Rentenversicherung Zuschüsse des Bundes, die circa 30 Prozent der Ausgaben decken. Und da liegt der Fehler. Die Renten der Menschen aus der DDR hätten steuerfinanziert werden müssen. Die Zuschüsse reichen dafür bei Weitem nicht aus. So wurde diese Last einseitig den Einzahlern in das Rentensystem untergeschoben.

Wie tönte einst der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm schon im Wahlkampf 1986: „Die Rente ist sicher!“ Damals wurde ihm und Kohl geglaubt. Sie konnten weiter regieren. Dabei wurde schon 1949 die Chance eines gerechten Rentensystems von Konrad Adenauer (CDU) und Franz Blücher (FDP) vertan. Solidarisch wäre, wenn alle, Arbeiter, Angestellte, Beamte und Selbstständige, in die Rente einzahlen und zwar aus ihren Einkommen, Vermietung und Verpachtung sowie Einnahmen aus Kapitalvermögen und Aktien. Das wäre solidarisch und einem demokratischen Staate angemessen.

So ein Umbau braucht etwa 30 bis 40 Jahre. Die Zeit haben wir verpennt. Schauen wir nach Österreich, die haben seit Kurt Kreisky 1980 parteiübergreifend an dem neuen System gebastelt. Auch müsste kein Arbeiter 264 Jahre in die Rente einzahlen, um die Pension eines deutschen Politikers zu erhalten. Ei Gude, wie!