Geld allein reicht nicht

Gefragter Gesprächspartner: Landrat Thorsten Stolz analysierte im ZDF mit Heute-Journal-Moderator Christian Sievers die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern. Foto: HA

Keine Euphorie bei Thorsten Stolz und Stefan Erb nach Bund-LänderGipfel.

Main-Kinzig-Kreis – Verhalten optimistisch zeigt sich Landrat Thorsten Stolz im Hinblick auf die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels zur Flüchtlingspolitik in Berlin. Es sei ein positives Signal, dass es beim „Migrationsgipfel“ zu einem Ergebnis gekommen und nun ein Zusammenwirken von Bund und Ländern zu erkennen sei. Doch die getroffenen Vereinbarungen könnten nur die Grundlage sein, um über weitere Gespräche und Verhandlungen zu langfristigen Lösungen zu kommen. Es seien noch viele wesentliche Fragen offengeblieben, meinte der Landrat.

Dies war auch das Echo vieler anderer Kommunalpolitiker, denen die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern nicht weit genug gingen. Der Bund hatte bei dem Treffen letzte Woche eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Verteilung der Kosten soll aber erst im November entschieden werden.

Die zugesagte kurzfristige Finanzhilfe ist aus Sicht von Thorsten Stolz „in Ordnung, mehr aber auch nicht“. Damit verbunden sei zudem die Erwartung, dass die Länder die Gelder auch unmittelbar und in vollem Umfang an die Städte, Gemeinden und Landkreise weiterleiten. „Auf der kommunalen Ebene wird die wesentliche Last bei der Versorgung und Betreuung der Geflüchteten und Asylsuchenden getragen, was erhebliche Aufwendungen bedeutet“, sagt Landrat Thorsten Stolz.

In Hessen seien 2022 aber von der Landesregierung erst auf erheblichen Druck der kommunalen Spitzenverbände nur rund 70 Prozent der dafür bestimmten Bundesmittel weitergeleitet worden. „Im laufenden Jahr sollen es nur etwa 50 Prozent sein, obwohl in Wiesbaden ausreichend Finanzreserven vorhanden sind.“

Der heimische CDU-Landtagsabgeordnete Max Schad versprach: „Ich werde mich im Land für eine möglichst umfassende Weitergabe der neu zugesagten Bundesmittel an die Kommunen einsetzen, denn dort werden sie dringend benötigt.“ Das vom Landrat gezeichnete Bild, das Land würde sich durch die Zurückhaltung von Bundesmitteln gut stellen, habe aber wenig mit der tatsächlichen Lage zu tun, widersprach er Stolz. Im Haushaltsjahr 2022 seien 800 Millionen Euro vom Land an die hessischen Kommunen geflossen. Der Bund habe an das Land hingegen nur 260 Millionen Euro gezahlt. Denn neben den Mitteln aus Berlin erhalten die Kommunen nach Darstellung Schads Zahlungen aus dem Landesaufnahmegesetz sowie die Kostenerstattung für unbegleitete minderjährige Ausländer, die unmittelbar aus dem Landeshaushalt stammen und dort gestemmt werden müssen. „Zur Wahrheit gehört außerdem, dass das Land die aus Berlin zugesagten Mittel für 2023 vorfinanzieren musste, weil der Bund nicht bezahlt hat.“

Stolz sagte zudem, die genannte Summe von einer Milliarde sei kein Grund zur Euphorie, denn selbst dieser Betrag werde nicht ausreichen, um die tatsächlichen Kosten zu decken. Er wiederholte seine Kritik, „dass die Kommunen permanent als Bittsteller auftreten müssen, obwohl sie nachweislich mit großer Sorgfalt und vorbildlichem Einsatz die Hauptlast in der Sache tragen“. Es sei zu erwarten, dass sich die Zahl der Geflüchteten und Asylsuchenden mittelfristig weiter auf hohem Niveau bewegen werde. Daher sei ein politisches Zusammenwirken in dieser Frage unerlässlich. „Wenn wir auf kommunaler Ebene die gleiche Unentschlossenheit wie Bund und Länder praktizieren würden, dann blieben hunderte Menschen unversorgt auf der Straße“, so der Landrat.

Ins gleiche Horn stieß auch Stefan Erb als Vorsitzender der Bürgermeisterkreisversammlung. Er sagte: „Das ist nur ein Zwischenergebnis, mehr nicht.“ Für ihn sei es befremdlich, dass um jede einzelne Milliarde für die Flüchtlingshilfe gerungen werde, auf der anderen Seite „für Militärausgaben aber mal schnell 100 Milliarden bereitgestellt werden“. Angesichts der Defizite, die sich allein in den hessischen Kommunen und beim Land angehäuft hätten, seien eine Milliarde darüber hinaus nicht sehr viel Geld, so der Bürgermeister von Erlensee. Erb: „Aber immerhin geht es in die richtige Richtung.“

Von Holger Weber-Stoppacher