Politik mit der Brechstange

Christoph Degen (SPD),

Mit ihrer Entscheidung für einen Alleingang beim Corona-Etat hat Schwarz-Grün in Hessen der Demokratie einen Bärendienst erweisen. Ziel der Landesregierung ist es, das umstrittene „Sondervermögen“ zur Bewältigung der Corona-Krise anlegen zu können, einen vollständig kreditfinanzierten Schattenhaushalt in Höhe von 12 Milliarden Euro, in Zahlen: 12.000.000.000.

Um diesen Schattenhaushalt durchzusetzen, will die Landesregierung nicht den Kompromiss mit der Opposition suchen, den sie für eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt. Stattdessen will Schwarz-Grün mit einer Änderung des Schuldenbremsen-Gesetzes diese Hürde abschaffen. Künftig reicht es dann aus, mit einer Stimme Mehrheit ganze Generationen mit neuen Schulden zu belasten. Das ist eine Zäsur im Hessischen Landtag und eine Aushebelung der Parlamentsrechte.

Noch 2013 hatte die CDU die hessische Schuldenbremse vor Lockerungen abgesichert und eine Zwei-Drittel-Mehrheit festgeschrieben. So sollte ein Missbrauch ausgeschlossen werden. Auch die Grünen haben diesem Gesetz zugestimmt. Nun aber wollen CDU und Grüne von den selbst aufgestellten Regeln nichts mehr wissen. Das Gesetz zur Schuldenbremse jetzt abzuändern, weil die Zwei-Drittel-Mehrheit für die eigenen Vorhaben nicht realistisch erscheint, ist ein Tabubruch und führt das selbst veranlasste Gesetz ad absurdum. Zudem ist die Begründung für dieses Vorgehen mehr als dünn: Die bisherige Regelung habe sich nicht als praktikabel erwiesen. Dabei haben wir erst vor wenigen Wochen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit einem ersten Nachtragshaushalt der Regierung schon 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt! Die Zweidrittelmehrheit ist also mehr als praktikabel. Selbstverständlich kann sich eine Regierung Schöneres vorstellen als auf die Opposition zugehen zu müssen. Aber so ist Demokratie! Die Hürde wurde explizit eingeführt, um Machtmissbrauch zu verhindern. Jetzt aber will die Landesregierung auf Kosten künftiger Generationen Vereinbarungen aus ihrem Koalitionsvertrag finanzieren, die gar nichts mit der aktuellen Corona-Pandemie zu tun haben.

Zur Bewältigung der Krise sind zusätzliche Mittel erforderlich, das ist unstrittig. Uns geht es darum, all jenen zu helfen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind. Der Landesregierung aber geht es offensichtlich um eine Machtdemonstration und darum, viel Geld für ihre politische Agenda beiseitezulegen. Die ausgestreckte Hand der SPD und auch der FDP für einen ordentlichen Nachtragshaushalt wurde in den Wind geschossen.

Wir haben den Regierungsparteien zuvor mehrere Vorschläge gemacht. So sollte zunächst ein Nachtragshaushalt für schnelle Handlungsfähigkeit der Regierung beschlossen werden, um dann im Herbst erneut zu verhandeln, wenn nach der nächsten Steuerschätzung mehr Zahlen auf dem Tisch liegen. Doch Schwarz-Grün hielt an der Forderung nach einem sofortigen Sonderetat fest und will unser Land über Jahrzehnte schwindelerregend verschulden. Und das alles, um einen überbordenden Schattenhaushalt für drei Jahre aufzumachen, aus dem die Regierung sich nach Belieben bedienen kann - ohne wirksame parlamentarische Kontrolle. Mal wieder erleben wir von der Landesregierung Politik mit der Brechstange.