Ein Sturm auf die Demokratie

Heiko Kasseckert (CDU),

Er war schon während seiner gesamten Amtszeit immer für Überraschungen gut - leider meist im negativen Sinn. Der amerikanische Präsident Donald Trump polarisiert, spitzt zu, provoziert und sät Hass. Und er schreckt nicht davor zurück, selbst die amerikanische Wiege der Demokratie, das Kapitol in Washington, als Zielscheibe für seine narzisstische Abrechnung mit den Institutionen der USA zu missbrauchen. Es dürfte wohl jeden demokratisch denkenden Menschen verstört haben, was sich rund um die Finalisierung der Präsidentenwahl im Kapitol der Vereinigten Staaten von Amerika abspielte.

Aber es gibt auch Zeichen der Hoffnung. Die Tatsache, dass beide Kandidaten der Demokraten die Stichwahlen für den Senat in Georgia gewonnen haben, zeigt, dass Wählerinnen und Wähler auf aktuelle Entwicklungen reagieren können. Sie lehnten Trumps Zuspitzung und seine fortwährende Leugnung des Wahlergebnisses ab und haben Joe Biden die ganze Macht übertragen, was unter „normalen“ Umständen wohl nicht möglich gewesen wäre. Auf seinen Schultern und auf denen von Kamala Harris, seiner zukünftigen Vizepräsidentin, lastet jetzt die ganze Verantwortung. Beide müssen mit der Mehrheit im Kongress die politische Mitte wiederherstellen, Kompromisse suchen und das gespaltene Land wieder versöhnen. Der Schatten von Trump und der „Trumpismus“ in den Reihen der Republikaner wird trotzdem noch lange nachwirken.

Es war dennoch keine diplomatische Meisterleistung unseres Außenministers Heiko Maas, den USA nun einen Marshallplan für die Demokratie anzubieten. Er verkennt die historischen Zusammenhänge und setzt die Ereignisse in den USA auf Augenhöhe mit der wohl größten Verfehlung unseres Landes, dem nationalsozialistischen Antisemitismus und dem Traum von der Weltherrschaft. Vielmehr gilt: Europa muss wachsam sein, denn die eigentliche Bedrohung der demokratischen Ordnung resultiert aus den inneren Spaltungen der westlichen Gesellschaften, mit wahrnehmbaren Anzeichen auch in Europa. Die Erfahrungen mit politisch motivierter Gewalt jenseits der terroristischen Gefahren nahmen in den letzten Jahren zu. Es reicht aber nicht, die Vorzüge der Demokratie immer dann wortreich zu beschreiben, wenn wieder einmal Gewalt und Ausschreitungen die Öffentlichkeit erschüttern. Die geistigen Urheber und Brandstifter sitzen längst in den Parlamenten. Und auch in den geschützten Räumen der sozialen Medien tobt sich der Hass aus gegen alles, was dem Weltbild der Frustrierten von links und rechts widerspricht.

Wenn unsere Demokratien so offen und tolerant bleiben sollen, wie wir sie uns wünschen, dann kann es keine Toleranz für die Feinde der Demokratie geben. Trump wäre ohne Twitter nicht da angekommen, wo er in der vergangenen Woche mit seinen Anhängern war. Der Verachtung der Demokratie folgt der Angriff auf die Demokratie. Gut, dass Twitter und Facebook jetzt endlich seine Accounts gesperrt haben. Es wird Zeit, die Herrschaft des Rechts auch im Internet durchzusetzen und unsere Demokratie auch dort zu verteidigen.