Blick nach Thüringen: Wehret den Anfängen / Von Helmut Müller Ei Gude, wie?

Helmut Müller

Die Landtagswahl in Thüringen fand am 27. Oktober 2019 statt und war die siebte Wahl zum Thüringer Landtag seit der Neugründung des Freistaates Thüringen 1990. Es gab circa 1,73 Millionen Wahlberechtigte, davon 75.000 Erstwähler. Die Wahlbeteiligung lag bei 64,9 Prozent. Dabei verlor die Regierungskoalition von Linken, SPD und Grünen ihre absolute Mehrheit. Die Koalition kam nur noch auf 42 Abgeordnete. Linke 29 (28+1), SPD (8-4) und Grüne 5 (6-1) = 42 anstatt vorher 46. Die CDU hatte noch 21 (34-13), die AfD kam auf 22 (11+11) und die FDP schaffte wieder den Sprung in den Landtag mit 5 (+5) Abgeordnete, ergibt rechnerisch 48. Dass da die Regierungsbildung schwierig wird, war klar. Niemand wollte mit der AfD koalieren. Die CDU lehnte ein Bündnis mit den Linken kategorisch ab. Ein Versuch des ehemaligen Bundespräsidenten Gauck zwischen CDU und Linken zu vermitteln, war auch erfolglos. Da ließ sich keine Mehrheit finden.

Nun, am 5. Februar, wollte Ministerpräsident Bodo Ramelow von den Linken mit einer Minderheitsregierung aus Linke, SPD und Grünen weitermachen. Das war sein allen bekannter Plan. Nun kam es am Mittwoch anders. Mich hat diese Wahl interessiert und saß deshalb ab 11 Uhr vorm Fernseher. Im ersten Wahlgang erhielt Ramelow 43 und der Kandidat der AfD, Kindervater, 25 Stimmen. Im Zweiten erhielten Ramelow 44 und Kindervater 22. Also war niemand gewählt, da die absolute Mehrheit bei 46 liegt. Im dritten Wahlgang war nur noch die relative Mehrheit notwendig. In dieser Situation warf der FDP-Landeschef Thomas Kemmerich seinen Hut in den Ring. So bewarben sich nun drei Kandidaten um den Posten. Die Thüringer FDP hatte den Einzug ins Parlament bei der Wahl im vergangenen Herbst nur denkbar knapp geschafft und die Fünf-Prozent-Hürde um nur 73 Stimmen übersprungen. Damit hätte niemand gerechnet. Im dritten Wahlgang wurde der Kandidat der FDP, Kemmerich, mit 45 von 90 Stimmen zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Ramelow erhielt 44 und der Kandidat der AfD Kindervater 0 Stimmen. Kemmerich wurde gewählt mit den Stimmen der FDP (5), der CDU (21) und der AfD (22). Die haben zusammen 48 Abgeordnete. Dass Kindervater 0 Stimmen erhielt, hat dieser selbst auf der Zuschauerbühne bei Verkündung des Ergebnisses belächelt. Diesen Tabubruch halte ich für unfassbar. Ein schwarzer Tag für unsere Demokratie. Ich bin zugleich sehr enttäuscht und zornig. Nun war sich die FDP, zusammen mit der CDU, nicht zu schade, sich von der AfD an die Macht hieven zu lassen. Hier von Machtgeilheit zu sprechen, ist leider zu wenig. Vielmehr haben FDP und CDU in Thüringen ihre Masken fallen lassen. Sie werden mit der AfD paktieren. Freilich werden sich beide, ich meine FDP und CDU, herausreden und das Ergebnis schönreden. Was bleibt, ist, sie sind mit der AfD in die Kiste gesprungen und daraus sollten wir sie nicht so ohne Weiteres herauslassen. Wer mit Faschisten wie Björn Höcke und der AfD Bündnisse macht, hat sich für mich von unserer gemeinsamen demokratischen Bühne verabschiedet. Wehret den Anfängen. Neuwahlen sind angebracht.

Ei Gude, wie!