Fachärzte dringend gesucht

Region – Die Hilfe für die Geflüchteten aus der Ukraine hört mit der Bereitstellung von Notunterkünften nicht auf. Die Helfer lernen von Tag zu Tag neue Bedarfe kennen. Die Kreisverwaltung beantwortet hier Fragen unserer Zeitung zum Thema Betreuung und Gesundheitsversorgung.

Wie ist der gesundheitliche Zustand der Menschen generell?

Das Team Gesundheit in der Koordinierungsstelle Ukrainehilfe berichtet von weit überwiegend körperlich gesunden, aber ebenso weit überwiegend psychisch belasteten Menschen. Die Geflüchteten haben traumatische Erlebnisse hinter sich. Sie fürchten um das Leben von Angehörigen. Vor allem nicht zu vergessen: Von den rund 3200 Geflüchteten sind mehr als 1000 unter 18 Jahren. Insbesondere die Jüngeren sind verängstigt und können gar nicht recht einordnen, was in ihrer Heimat und gerade auch mit ihnen passiert. Das erfordert einen sehr sensiblen Umgang und auch fachärztlichen Zugang zu den Menschen. Der Main-Kinzig-Kreis gewährleistet eine permanente Erreichbarkeit in den größeren Einrichtungen, und dennoch können diese speziellen Bedarfe nur von der Ärzteschaft gedeckt werden. Der Main-Kinzig-Kreis hat daher schon Anfang März alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte aufgerufen, sich für eine flexible Kooperation unter mediziner-hil fe[at]mkk[dot]de zu melden. Insbesondere Fachärzte werden immer noch dringend gesucht. Die Vermittlung an entsprechende Stellen gestaltet sich teils sehr schwierig.

Gibt es typische „Fluchtleiden“, abgesehen von psychischen Leiden?

Ganz vereinzelt ist bei den neu Ankommenden eine Akutversorgung notwendig oder eine Unterbringung in einer pflegerischen Einrichtung. Dafür hat der Main-Kinzig-Kreis Kooperationspartner an seiner Seite, die sowohl für die Versorgung bei der direkten Ankunft als auch für eine spezifische Unterbringung einsatzbereit sind. Ansonsten sind es überwiegend die psychischen Leiden und Traumata in Folge des Krieges, mit denen die Menschen ankommen.

Wie hoch ist die Impfquote?

Aus den ersten Sammelsprechstunden, die in Birstein und Bruchköbel stattgefunden haben, berichtet das Team Gesundheit von etwa einem Drittel geimpfter Personen. Der Main-Kinzig-Kreis stellt in diesem Bereich Informationsmaterial zur Verfügung und macht auch Impfangebote. Das Aufklärungsmaterial gibt es unter anderem auf Ukrainisch und Russisch, und zwar in gedruckter Form wie auch online auf der Kreishomepage unter Ukrainehilfe MKK (ww.mkk.de). Impfungen werden während der Sprechstunden in den Turnhallen angeboten.

Dass Geflüchtete in der Unterkunft vom Tod Angehöriger in der Ukraine erfahren, ist das Szenario, das die Betreiber der Unterkünfte fürchten. Ist man darauf vorbereitet?

Für diese ganz besonders schweren Momente braucht es professionelle Unterstützung. Das können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die rund um die Uhr in der Halle ansprechbar sind und sich um viele andere Angelegenheiten schnell und eigenständig kümmern können, nur schwerlich leisten. Der Main-Kinzig-Kreis setzt hier auf ein geschultes und verlässliches Netzwerk, das von der Telefonseelsorge bis zur persönlichen Begleitung reicht. Für ein dauerhaftes Auffangen und Begleiten wird es dabei jedoch nicht ohne engmaschigere Begleitung gehen, das psycho- und traumatherapeutische Betreuung einschließt.

Gibt es bereits Pläne für die Kinderbetreuung?

Viele Städte und Gemeinden bereiten Angebote vor, die zunächst einmal eher auf eine Art Spielkreis oder Mutter-Kind-Café hinauslaufen. Ziel ist es dabei, dass sich Mütter gemeinsam mit ihren Kindern sozusagen „hinauswagen“ in andere Kontaktkreise, auch Vertrauen in das weitere gesellschaftliche Umfeld ihres Wohnorts entwickeln und Freundschaften schließen. Dieses Modell berücksichtigt die besonderen Vorbehalte und Ängste der kleinen Familien, gerade nach deren schlimmen Erfahrungen aus der Zeit vor ihrer Flucht. Mütter und Kinder werden bewusst bei diesen ersten Schritten nicht getrennt. Doch der Bedarf nach Betreuungsplätzen in Kitas wird sicher auch seitens der Geflüchteten aus der Ukraine ansteigen. Der Kreis und seine Standesvertretung, der Hessische Landkreistag, appellieren an das Land Hessen, die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Hemmnisse in den Betreuungseinrichtungen beseitigt werden können. Das betrifft insbesondere den Personalschlüssel, das sogenannte Fachkräftegebot und die Regelungen für Raumgrößen. In der jetzigen Situation ist es wichtig, dass für die verantwortlichen Jugendämter und die Träger der Kinderbetreuung seitens des Landes ein verlässlicher, aber auch pragmatischer und flexibler Rahmen geschaffen wird, mit dem vor Ort individuelle Lösungen gefunden werden können. Eine berufliche Integration von ukrainischen Geflüchteten sollte jedenfalls nicht daran scheitern, dass umliegende Kitas formal „ausgelastet“ sind.

Werden ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuer gebraucht?

Die ehrenamtlichen Initiativen und Helferkreise werden gut gebraucht, wobei die Bedarfe vor Ort unterschiedliche und auch über die Zeit hinweg durchaus wechselnde sein können.

Dies zu koordinieren klappt auf kommunaler Ebene am besten, wo die Netzwerke und schnell erreichbaren Adressen bekannt und Unterstützungsleistungen eingeübt sind. Daher sind die direkten Ansprechpartner auch die jeweiligen Rathäuser für individuelle Hilfsangebote.

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