Serie Gelnhäuser Straßennamen Teil 5 / Von Werner Kürle Am Fratzenstein

Der früher „Fratzenstein“ genannte Geschützturm ist heute als „Hexenturm“ bekannt. Foto: gn

Die Straße am Fratzenstein ist neben dem „Hexenturm“.

Gelnhausen – Seit dem Jahre 1420 verfolgten die sogenannten Taboriten, wie der radikalen Richtungen zugehörenden Anhänger des Jan Hus aus Böhmen genannt wurden, ihre religiösen und politischen Ziele mit äußerster Gewalt.

Ihre Überfälle beschränkten sich nicht nur auf die böhmische Heimat, sondern sie fielen auch in Österreich, Ungarn, Bayern, Sachsen, Schlesien und Brandenburg ein. In dieser Zeit der Hussitenkriege versuchte man, sich durch vorbeugende Baumaßnahmen gegen Überfälle der Hussiten so gut wie möglich zu schützen. Als Neuheit in der Kriegstechnik montierten die Hussiten Hakenbüchsen und leichte Belagerungsgeschütze fest auf ihre Trosswagen und entwickelten hiermit die ersten fahrbaren beweglichen Geschütze. Diese konnten schnell von einem zum anderen Platz transportiert werden und waren ohne zeitraubende Montage sofort einsatzbereit.

Die Richtung, aus der eine Gefahr für Gelnhausen wohl kommen musste, war Süden oder Südosten. Genau dort führte eine Brücke von der selbstständigen Gemeinde Burg Gelnhausen über die Kinzig zur Stadt Gelnhausen. Diese Brücke mündete auf der Stadtseite etwas südöstlich außerhalb des damaligen Burgtores. Zum Schutz der Burggemeinde legte man quer über die Müllerwiese einen mit Wasser gefüllten Graben, den sogenannten „Hussengraben“, an. Dieser verlief vom „Haintor“ (südlicher Burgausgang nach der Burgmühle zu), wo er Anschluss an den südlichen Kinzigarm hatte, zunächst etwas in westlicher Richtung bis zur „Burgcaplanei“ (fälschlich Zehntscheune genannt), in einem Bogen verlief er dann in nördlicher Richtung und mündete in der Nähe der Burgbrücke in den nördlichen Kinzigarm. Zum Schutz dieser Brücke begann man auf der Stadtseite hinter der bereits bestehenden Stadtmauer, im Jahre 1447 in unmittelbarer Nähe der bereits ebenfalls vorhandenen Stadttore „Burgtor“ und „Schmiedetor“ einen weiteren Befestigungsturm zu bauen.

Etwa 60 Meter in Richtung Ost entstand der zunächst „Fratzenstein“ später „Hexenturm“ genannte Geschützturm. Die Brücke zur Gemeinde Burg lag genau unter ihm und konnte vom Turm aus geschützt werden. Die in der Gemeinde Burg ansässigen Burgmannen fühlten sich jedoch durch den Neubau eines Geschützturmes bedroht und richteten einen Einspruch und Beschwerdebrief an den Kaiser in welchem sie Bezug nahmen auf alte Vorschriften „...daz nymant keyn neue buwe ufricht die den burgleut und des richs burge schedelich sey. Solche buwe han sie gemacht damyde wege und stege den burgmannen verbuwet und gewert“ (dass niemand einen neuen Bau errichte der den Burgleuten und des Reiches Burg schädlich sei. Einen solchen Bau haben sie gemacht und damit den Burgmannen Wege und Stege verbaut und verwehrt). Nach längerem Streit wurde die Beschwerde der Burgmannen abgewiesen, sodass der Turm durch die Verzögerung erst im Jahre 1478 völlig fertiggestellt werden konnte.

gn