Immunsystem unter Druck

Der Griff zum Papiertaschentuch gehört aktuell zu einem auch im Main-Kinzig-Kreis sehr verbreiteten Bewegungsablauf. Symbolfoto: Nicolas Armer/dpa

Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) führen dem Robert-Koch-Institut (RKI) zufolge insbesondere bei Kleinkindern vermehrt zu Erkrankungen und Krankenhauseinweisungen. Auch die Grippe (Influenza) greift um sich, wie man vor allem in Schulen hört. In den kommenden Wochen sei mit weiter steigenden Zahlen zu rechnen, heißt es im RKI-Wochenbericht.

Region – Im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums Hanau werden aktuell 13 Patienten wegen einer Atemwegserkrankung behandelt, wie eine Sprecherin auf Nachfrage unserer Zeitung berichtete. Im Erwachsenenbereich des Klinikums befinden sich aktuell 27 Patienten wegen einer Atemwegserkrankung.

Fragen zur aktuellen Lage in der Region beantwortet Dr. Wolfgang Lenz, der Leiter des Gesundheitsamtes des Main-Kinzig-Kreises.

Werden mehr Atemwegserkrankungen verzeichnet als in dieser Jahreszeit üblich?

Die Grippe-Saison hat in diesem Jahr früh angefangen. Wenn man hier nur die Vergleichszeiträume der vergangenen zwei Jahre heranzieht, dann verzeichnen die Arztpraxen und Kliniken deutlich mehr Fälle, was gewissermaßen zu erwarten gewesen ist. Aber selbst im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit meldet das Robert-Koch-Institut im Moment deutlich mehr Influenzafälle.

Woran liegt das?

Der Unterschied zur jüngsten Vergangenheit liegt auf der Hand. Es finden viel mehr Begegnungen und Veranstaltungen in Innenräumen statt, noch dazu unter weitgehendem Verzicht auf Masken oder andere Schutzmaßnahmen. Die Kontaktrate ist im privaten wie auch im beruflichen Umfeld bei den meisten Menschen wieder wesentlich höher als 2020 und 2021. Eine Folge davon ist, dass es Viren wieder leichter haben, von einem auf den anderen – oder eben gleich mehrere – Menschen übertragen zu werden. Am Ende erreichen die Grippe-Wellen die Kindertagesstätten und Schulen ebenso wie Betriebe und Vereinsgruppen. Hinzu kommt, dass das Immunsystem nach einer eher milden Grippesaison 2019/20 und zwei Corona-Wintern mit wenig Kontakten seltener auf Hochtouren laufen musste.

Ist es überhaupt noch möglich, zu erfassen, ob es sich um Corona oder eine normale Grippe handelt?

Das ist durchaus gut möglich. Wer mit grippeähnlichen Symptomen in die Arztpraxis kommt, über Fieber, Husten und Schnupfen klagt, der wird auf Corona getestet. In einer großen Zahl an Referenzpraxen wird außerdem auf das Influenzavirus und viele weitere Viren getestet, sodass es in der Gesamtbetrachtung seitens des Robert-Koch-Instituts eine gute Übersicht gibt, wie die Grippe-Saison aktuell verläuft und wie sich auch andere Viren verbreiten.

Hessenweit sind viele Kinderstationen in Krankenhäusern wegen Atemwegserkrankungen an ihre Grenzen gelangt. Wie ist die Lage in den heimischen Kliniken?

Die Falldichte hat in den vergangenen Tagen deutlich zugenommen. Genaue Fallzahlen, etwa zum RS-Virus, liegen den Gesundheitsämtern zwar nicht vor, weil Erkrankungen mit diesem Erreger nicht meldepflichtig sind.

Aber deutlich ist: Die Saison der Atemwegserkrankungen hat in diesem Jahr allgemein früh begonnen. Von einer Klinik wissen wir, dass sie bis Mitte des Monats November schon doppelt so viele Kinder mit Atemwegsbeschwerden aufgenommen hat wie im gesamten Monat Oktober.

VON DAVID SCHECK

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