Ein literarisches Denkmal gesetzt

Diana Distler, André Bechtold und Christa Schmitt (von links) präsentieren ihre Hommage an Burkhard Kling. Foto: Andrea Euler

Autorenduo bringt eine Märchensammlung zu Ehren des verstorbenen Museumsleiters Burkhard Kling heraus.

Linsengericht – André Bechtold hat zusammen mit Diana Distler dem ehemaligen Museumsleiter der Museen Brüder Grimm-Haus Steinau und Museum Steinau ein literarisches Denkmal gesetzt: Unter dem Titel „Mein Brüder-Grimm-Märchenzaun. Eine Hommage an Burkhard Kling“ ist im Triga-Verlag ein 416 Seiten starkes Buch erschienen, in dem 49 bekannte und weniger bekannte Märchen der Brüder Grimm zu finden sind. Ergänzt um philosophische Anmerkungen des Autors (Pseudonym: André von Linsengericht) und Illustrationen der Künstlerin. Der Titel soll ebenso wie der tatsächlich am Wohnhaus von Bechtold existierende Märchenzaun zum einen die Erinnerung an den Kunsthistoriker Kling wachhalten, der im Mai 2023 überraschend starb, zum anderen zum Gespräch, zur Diskussion anregen.

Das Buch sticht durch seine außergewöhnliche Gestaltung ins Auge: „Alle, die es bisher gesehen haben, waren geflasht. Insbesondere von den Illustrationen“, weiß Verlegerin Christina Schmitt zu berichten. Eine Illustration findet ihre Entsprechung auch auf dem Buchschnitt wieder – ein besonderer Blickfang, den das Werk einem Gespräch der Verlegerin mit „Messe-Mayer“ auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober zu verdanken hat. Oder wie es im Buchmarkt zu lesen steht: „Die Frage, ob man auch einmal ein lokalhistorisches Buch mit einem Farbschnitt versehen solle, muss ich rundheraus bejahen. Das wäre in diesem Segment ja zunächst ein Alleinstellungsmerkmal“, wie der Langenselbolder Buchhändler Matthias Mayer betont.

Farbig sind die Illustrationen der Künstlerin Diana Distler, die innerhalb von weniger als vier Wochen die 49 Bilder nach einer speziellen Zeichenmethode erstellte. Sie verbindet kreative Entspannungstechniken mit künstlerischer Darstellung und präsentiert den Blick auf das jeweilige Märchen aus ungewöhnlicher Perspektive: etwa aus der Sicht des Hans in den Bremer Stadtmusikanten. Oder aus der eines Sterns in den Sterntalern. Farbig sind auch die Fotos der Zaunfelder, die Bechtold mit einzelnen Zitaten aus den Grimmschen Märchen versehen hat. Einen passenden Kalender und 25 Postkarten hat die Künstlerin zudem noch auf den Markt gebracht – wie das Buch selbst ist auch der Kalender erhältlich in den heimischen Buchhandlungen und auf Bestellung bundesweit. Dass ein solches Buch herauskommt, ist Ergebnis einer sehr schnellen Entwicklung. Sie nahm schon bald nach dem überraschenden Tod Klings ihren Anfang, als Bechtold vor dem eigenen Haus einen Zaun mit Märchenzitaten gestaltete. Die beiden Männer kannten sich seit dem Jahr 1996 und einer Stadtführung, bei der sich Bechtold mit dem Kunsthistoriker abwechselte bei der Präsentation der Gelnhäuser Stadtgeschichte vor einer Gruppe interessierter Professoren. Der Kontakt, mal mehr, mal weniger intensiv, wurde dank Social Media in den zurückliegenden Jahren wieder intensiver, sodass der Tod Klings Bechtold hart traf. Entsprechend ist auch die Einleitung des Buches als ein „persönlicher, subjektiver Text, der sich mit bestimmten Aspekten des jeweiligen Märchens beschäftigt“ zu betrachten, Bechtold sagt sogar: „Ich sehe es wie einen Brief oder ein Gespräch mit Burkhard an.“ Das Konzept findet Anklang: Aktuell befinden sich Autor und Illustratorin auf Lesereise in Südtirol, Anfragen für Veranstaltungen in Kanada und sogar am Polarkreis liegen vor.

Begeistert von diesem „Feuerwerk-Projekt“ zeigt sich auch Verlegerin Christina Schmitt. Für sie macht das Buch die Geschichte ihres Triga-Verlags „rund“. Denn dort stehen große Veränderungen an: Erst jüngst hat die Unternehmerin ihre Lagerräume geleert. Pandemie, Papierkrise, Konsumflaute– all das hat die engagierte Buchliebhaberin miterlebt, und sie stellt fest: „Das Risiko für kleine Verlage, große Auflagen zu drucken, ist noch weiter gestiegen.“ Ein Risiko, das sie nicht mehr eingehen möchte. Den Verlag wird es weiterhin geben, aber von wenigen Ausnahmen abgesehen werden die Titel künftig im Print-on-Demand-Verfahren hergestellt. Gedruckt also dann, wenn die Bestellung vorliegt und eine Abnahme damit garantiert ist.

Zu den Ausnahmen gehört das Buch von André von Linsengericht, denn Kling war auch ein langjähriger Weggefährte der Verlegerin. Erst wenige Tage vor seinem Tod und der Auszeichnung mit dem „Hessischen Literaturlöwen“ erschien Klings letzte Publikation „German Popular Stories – Children’s and Household Tales“ in ihrem Verlag. Auch das jüngst mit dem Grimmelshausen Sonderpreis ausgezeichnete Buch von Simone Grünewald und Klaus Puth: „Die Abenteuer des Simplicissimus“ gehört zu den Titeln. Hier ist eine zweite Auflage gerade in Vorbereitung.

Von Andrea Euler