„Sparen Sie, wo es geht!“

Neue Brunnen und sinkende Wasserspiegel sind ihr Tagesgeschäft: Stefan Gerlach und Burkhard Langer von den Kreiswerken Main-Kinzig. Foto: Yvonne Backhaus-Arnold

Es rauscht und röhrt in der großen Halle. Die blauen Filteranlagen stehen in Reih und Glied, davor zwei nigelnagelneue Pumpen, die bald eingebaut werden sollen. Wir sind zu Gast bei den Kreiswerken Main-Kinzig, genauer gesagt in deren Wasserwerk in Erlensee-Rückingen. Seit 1958 wird hier Wasser aufbereitet und gespeichert. Die Anlage ist eine von insgesamt fünf, die die Kreiswerke betreiben.

Region – Vor einigen Tagen haben wir einem der Trinkwasserspeicher der Stadt Hanau einen Besuch abgestattet. Hier ist die Versorgung auch in Trockenzeiten gesichert, im Bereich der Kreiswerke, die das Trinkwasser für 120 000 Menschen zwischen Niederdorfelden und Freigericht zur Verfügung stellen, sieht das anders aus.

„Bisher haben wir 60 Prozent des benötigten Wassers über unsere 33 Brunnen und zehn Quellen abgedeckt und 40 Prozent zugekauft“, erklärt Stefan Gerlach, Technische Führungskraft Wasser bei den Kreiswerken. Aber weil die Brunnenstände sinken, kann weniger gefördert werden. „Aktuell verschieben sich diese Zahlen, zwar nur im einstelligen Bereich, aber sie verschieben sich.“

Hessen Wasser, Oberhessische Versorgungs-AG, Zweckverbände, Stadtwerke Gelnhausen – bei ihnen kaufen die Kreiswerke Wasser zu, sie alle helfen also mit, dass das frische Nass in Bruchköbel, Nidderau und Langenselbold aus dem Hahn kommen kann.

„Hanau hat den Vorteil, dass es am Main liegt“, erklärt Burkhard Langer. „Das Fließgewässer bleibt ja nicht in seinem Bett, sondern gibt Wasser in die Umgebung ab. Der Grundwasserspiegel wird darüber aufrechterhalten.“ Der Meister Wassergewinnung bei den Kreiswerken weiß, wovon er spricht, denn Brunnen in der Nähe von Flüssen oder Auen hätten immer einen höheren Wasserspiegel als andere Brunnen. Die Tendenz ist dennoch klar: Die Wasserspiegel fallen.

Mit dem Hitzesommer 2018 hatte die Situation ihren Lauf genommen: Bis heute sind die Grundwasservorräte nicht wieder auf ihr übliches Maß angestiegen. Ein Beispiel: Ihren Brunnen Erbstadt 2 betrieben die Kreiswerke ab 2015 noch mit einem Grundwasserspiegel von 145,75 Metern über Normalnull (NN). Heute befindet sich der Grundwasserpegel auf einer NN-Höhe von 140,5 Metern – und damit ganze fünf Meter darunter. Schuld sind die heißen Sommer, weniger Niederschläge und kaum noch Schneeschmelzen.

„Aber nicht nur“, schiebt Langer hinterher. Überall werde gebaut, versiegelt, kanalisiert, das Wasser dadurch schneller aus der Fläche und zu den Flüssen abgeführt.

Um den Bürgerinnen und Bürgern die Verfügbarkeit von Trinkwasser aus ihren Gewinnungsgebieten sowie den Fremdbezug aufzuzeigen, haben die Kreiswerke im Juni die „Wasserampel“ eingeführt. Zu sehen ist sie unter www.kreiswerke-main-kinzig.de/wasserampel. Aktuell steht die Ampel auf Gelb.

Da die Kreiswerke niemanden sanktionieren können, der Wasser verschwendet, bleiben ihnen nur die „Wasserampel“, Appelle und der Druck auf die Politik.

Seit rund drei Jahren debattierten die heimischen Bürgermeister über eine Gefahrenabwehrverordnung, berichtet Gerlach. Demnächst unterstütze sie ein Jurist des hessischen Städte- und Gemeindebundes. Kommt die Verordnung, im Taunus gibt es sie bereits, haben Kommunen und ihre Ordnungsbehörden die Möglichkeit, Bußgelder zu verhängen, wenn Rasen gewässert oder Autos gewaschen werden. Im Main-Kinzig-Kreis hat der Landrat vor zwei Wochen zumindest die Entnahme von Wasser aus Flüssen, Bächen und Seen verboten. Gärten, Golf- oder Fußballplätze zu wässern, ist doch kein Problem, so die landläufige Meinung. Doch die sei falsch, so Langer. Es verdunste zu viel Wasser, und im Grundwasser komme bei dieser Trockenheit dann ohnehin nichts mehr an. Ein weiteres Problem: Rasenflächen und Beete werden häufig am Wochenende gewässert, daneben noch ausgiebig geduscht.

„Spitzenlast“ nennt Langer das. Er und seine Kollegen müssen dann Feuerwehr spielen und die Wasserzufuhr sichern, so wie zuletzt an Pfingsten, als es mehrere Tage über 30 Grad heiß war und die Menge im Hochwasserbehälter merklich abnahm.

Die Experten der Kreiswerke raten zu einem sparsamen Umgang mit Trinkwasser. „Lassen Sie Ihren Rasen doch einfach braun werden“, sagt Langer. In Italien oder Spanien sei das Usus, auch Fußballplätze würden hier nicht gewässert.

Das Befüllen von Pools und Zisternen mit Trinkwasser soll laut „Wasserampel“ aktuell unterlassen werden, genauso wie das Reinigen von Gebäuden, Straßen, Wegen, Plätzen, Einfriedungen und Fahrzeugen mit Trinkwasser. Wer die Möglichkeit habe, sich eine Regenzisterne in den Garten zu bauen, sollte dies tun, so Langer.

Um die Situation auch in den kommenden Jahren im Griff zu haben, bleiben den Kreiswerken nur zwei Optionen: Brunnen bohren und alte, nicht mehr leistungsfähige Brunnen und Quellen sanieren. Nur noch 30 statt andernorts 120 Kubikmeter Wasser in der Stunde könnten an manchen Brunnen noch gefördert werden, so Gerlach. Sein Wunsch: drei bis fünf neue Brunnen in den kommenden fünf Jahren. Die Realität sieht anders aus, denn ein Genehmigungsverfahren kann auch mal zehn Jahre dauern.

VON YVONNE BACKHAUS-ARNOLD