Vier Bürgermeister gegen die „Variante IV“

Es gibt mehrere Trassenvarianten für die neue ICE-Strecke. Die graue mit Kennung IV ist der Favorit. Foto: PM

Die Bahnstrecke zwischen Hanau, Gelnhausen und Fulda ist eine der wichtigsten und am stärksten befahrenen Strecken Deutschlands. Um die Infrastruktur dem wachsenden Verkehr anzupassen, wird eine Neubaustrecke für Hochgeschwindigkeitsverkehr geplant. Von 13 möglichen Varianten favorisiert die Deutsche Bahn inzwischen die Nummer IV.

Region – Diese Strecke verläuft von Hanau bis nach Gelnhausen nahezu entlang der bestehenden Gleise. Zwischen Gelnhausen und Wächtersbach verläuft die Strecke im Kinzigtal, wechselt dann auf die andere Talseite und umfährt Bad Soden-Salmünster und Steinau an der Straße östlich. Danach quert die Neubaustrecke bei Niederzell das Kinzigtal erneut mit einem großen Brückenbauwerk mit anschließendem Tunnel und umfährt Schlüchtern schließlich im Norden. Es folgt ein sieben Kilometer langer Tunnel bis Kalbach, bevor die Strecke den Kalbach quert und dort an die Bestandsstrecke anschließt.

Nun haben die Bürgermeister der Kommunen Bad Soden-Salmünster, Kalbach, Schlüchtern und Steinau an der Straße im Rahmen einer Pressekonferenz erklärt, dass sie diese Variante nicht akzeptieren wollen. Dominik Brasch, Bürgermeister von Bad Soden-Salmünster: „Unsere Bedenken und Einwände wurden von den Regierungspräsidien nur sehr unvollständig berücksichtigt, stattdessen wurde ohne nachvollziehbare Prüfung der Argumentation der Bahn gefolgt. Die Defizite der landesplanerischen Beurteilung werden wir in der Planfeststellung erneut aufgreifen, um die jetzige Trassenführung zu verändern. Wir haben viele Argumente auf unserer Seite.“

Zur Unterstützung hätten sich die vier Kommunen Experten ins Boot geholt: Diplom-Geograph Wulf Hahn sowie die beiden Rechtsanwälte Dr. Franziska Heß und Andreas Ruckelshausen. Sie hätten in der landesplanerischen Beurteilung etliche Fehler und Mängel entdeckt.

Das Thema Siedlungserweiterung sei beispielsweise nicht annähernd in dem Maße berücksichtigt worden, in dem es sonst üblich sei. Steinaus Rathauschef Christian Zimmermann: „Bei der favorisierten Variante bekommen alle vier Kommunen enorme Probleme. Neubaugebiete könnten wegfallen, Wachstum würde behindert.“ Die Bürgermeister kritisieren, dass alternative Varianten nur unzureichend geprüft worden seien.

Bei Variante V beispielsweise sei die obligatorische fachliche Vorprüfung des Fauna-Flora-Habitat-Gebietes, konkret geht es um „Obere und mittlere Fuldaaue“ im Bereich des Naturschutzgebietes Ziegler Aue, beispielsweise schlicht nicht durchgeführt worden, bei Variante VII erschließe sich den Gutachtern der vier Kommunen die Einstufung als „raumunverträglich“ nicht. Denn die erhebliche Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung, von der bei Variante VII die Rede sei, sei bei der favorisierten Variante IV hingegen als nicht verfahrensrelevant eingestuft worden. Hahn fasst zusammen: „Alternative Streckenführungen wurden zu schnell ad acta gelegt und die favorisierte Variante zu einseitig beleuchtet.“

Ein weiteres Beispiel dafür sei der Lärmschutz, der nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden habe. Kalbachs Bürgermeister Mark Bagus: „Die geplante Strecke würde bei allen vier Kommunen für erhebliche Lärmbelästigung sorgen. Und das nicht nur während der Bauphase, sondern auch im laufenden Betrieb.“

All diese Einwände seien in die Bewertung aber nicht eingeflossen, genauso wie die Kombivariante aus den Streckenführungen V und VII mit einer Bündelung an der A 66 nicht berücksichtigt wurde, die die Kommunen zur Prüfung vorgeschlagen hätten.

An die landesplanerische Beurteilung knüpfe nun das Planfeststellungsverfahren. Hier wollen die vier Kommunen einhaken. Sämtliche Kritikpunkte sollen öffentlich an die Regierungspräsidien herangetragen werden, möglicherweise wollen die Kommunen gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen. Rechtsanwalt Ruckelshausen erläutert: „Die landesplanerische Beurteilung stellt lediglich eine gutachterliche Äußerung dar und hat keine verbindliche Außenwirkung. Erst im jetzt folgenden Planfeststellungsverfahren wird über die Zulassung der Variante IV entschieden und es werden noch offenstehende fachliche und rechtliche Fragen geklärt.“ Das dauere bis mindestens 2027. Schlüchterns Bürgermeister Matthias Möller:„Wir haben keinen favorisierten Streckenverlauf, sondern fordern, dass das Verfahren sauber und für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar abläuft.“
sem