Vorsichtig optimistisch

Erst das Corona-Virus und dann der Überfall Russlands auf die Ukraine: Langanhaltende Lieferschwierigkeiten von wichtigen Teilen und plötzlich höhere Preise für Strom, Gas, Erdöl und Rohstoffe belasteten Verbraucher und Wirtschaft – auch in der Region.

Region – Die hohe Inflation sei eine Folge der Umbrüche. In Summe bedeute das: Die Nachfrage schrumpft und die Verunsicherung wächst zugleich. „Seit gut drei Jahren fehlen weitgehend die Voraussetzungen, um die Wirtschaft im Main-Kinzig-Kreis und darüber hinaus zum Erblühen zu bringen“, heißt es im Konjunkturbericht der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern.

Die Ergebnisse der aktuellen Umfrage zum Jahresbeginn 2023 zeigen laut Mitteilung: Dank der unternehmerischen Findigkeit könnte es gelingen, glimpflich durch die Krise zu kommen und sie auch zu überwinden, allerdings nicht so schnell wie erhofft.

Die aktuellen Lagebewertungen der Unternehmen aus dem Kreis haben sich seit der Umfrage im Herbst kaum verändert: 26,7 Prozent bezeichnen ihre Situation als „gut“, vor vier Monaten waren es 26,9 Prozent. Bei den „schlecht“-Antworten ergibt sich ein erfreulicher Schwund um 4,1 Punkte auf nunmehr 12,2 Prozent. Immerhin 61,1 Prozent der Unternehmen bewerten über alle wichtigen Branchen hinweg ihre Geschäftslage als „befriedigend“. Deutlich besser, wenn auch nicht wirklich gut, werden die geschäftlichen Aussichten für dieses Jahr eingeschätzt: Der Anteil der Optimisten steigt seit Herbstanfang von 5,7 auf nunmehr 12,3 Prozent und die Pessimisten schrumpfen binnen vier Monaten von 52,5 auf aktuell 31,8 Prozent. Dies spreche für eine vorsichtige Erholung, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde.

Der IHK-Konjunkturklima-Indikator gewichtet die Unternehmensantworten zu Lage und Erwartungen: Die zentrale Kennzahl erzielt mit 96,0 Punkten „einen Wert, der Hoffnung keimen lässt. Wenn keine weiteren Rückschläge eintreffen, könnte sich noch im Jahresverlauf die Konjunktur so erholen, dass ein neuer Aufschwung drin ist“, merkt Quidde an.

Bei den für die Region mit ihren vielen Industriearbeitsplätzen so wichtigen Investitionsgüterproduzenten glauben 42,9 Prozent an bessere Zeiten – und niemand an schlechtere. Bei den Finanzdienstleistern ist die Sicht exakt ausgewogen. Im Verkehrsgewerbe gehen 57,1 Prozent von einer Verschlechterung aus und niemand von einer Verbesserung. Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes im Main-Kinzig-Kreis stufen durchgängig ihre Lage, in Teilen auch ihre Erwartungen etwas besser ein als die Gesamtwirtschaft. „Wirklich beachtlich ist, dass unter den Produzenten von Investitionsgütern schon jetzt, zu diesem extrem frühen Zeitpunkt im Konjunkturzyklus, der Optimismus immens hoch ist. Dieser Befund spiegelt zweierlei: Die Erleichterung, dass die Krise nicht weiter um sich greift, und die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Belebung in den kommenden Monaten. Deshalb sind von diesen Unternehmen mehr Investitionen ebenso beabsichtigt wie die Einstellung weiterer Mitarbeiter. Da diese Unternehmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung üblicherweise einige Monate vorauseilen, ist dieses Stimmungsbild ein echter Mutmacher“, bewertet Quidde. Ein Grund für diesen Optimismus ist trivial: Wenn Unternehmen künftig teure Energie einsparen wollen, dann benötigen sie dafür neue Maschinen und Anlagen. „Da kündigen sich neue Geschäftsmöglichkeiten an. Das zeigt, dass es mutige Unternehmerinnen und Unternehmer gibt, die in der Krise ihre Chancen erkennen und nutzen, während andere noch jammern“, erläutert der IHK-Hauptgeschäftsführer. Erfolgreiche Unternehmer seien auch jene, die nicht davor zurückschreckten, konsequent auf steigende Kosten zu reagieren. Dazu gehöre auch die Abwanderung ins Ausland. Neben Verlagerungen in die Eurozone werde vor allem über mehr Investitionen in Nordamerika nachgedacht, aber auch China ist noch lange nicht aus dem Rennen. „Das ist auch ein Warnsignal, vor allem an die Bundesregierung“, betont Quidde. Es sei „höchste Zeit, vor allem die harten Standortfaktoren in Deutschland erheblich zu verbessern“.

Das für den stationären Einzelhandel enttäuschend verlaufene Weihnachtsgeschäft spiegelt sich in der IHK-Konjunkturumfrage genauso wider wie die triste Lage in der Gastronomie und in der Verkehrswirtschaft. Ein Ende der Flaute scheint nicht absehbar. „Die Kombination von hohen Strom- und Energiekosten auf der einen Seite und sparsamen Verbrauchern auf der anderen zehrt massiv an der Marge“, berichtet Quidde.

Lediglich die Großhändler und die Einzelhändler, die das Onlinegeschäft beherrschen, sind laut Bericht etwas weniger pessimistisch. Manche Großhändler dürften es sogar schaffen, gestärkt aus der aktuellen Krise herauszuwachsen.

Uneinheitlich gestaltet sich die Situation im breit gestreuten Dienstleistungssektor: Während die Finanzwirtschaft auf bessere Geschäfte dank steigender Zinsen hofft und zugleich bangt, ob die Anstrengungen zu mehr Digitalisierung reichen, sehen sich viele Unternehmen dieses Wirtschaftszweiges mit einer sinkenden Verbrauchernachfrage konfrontiert. Etwas entspannt hat sich die Auslandsnachfrage, während die Binnennachfrage weiterhin ein deutliches Risiko darstellt. Gleiches gilt für die politischen Rahmenbedingungen im Lande und für die Arbeitskosten.

Schon seit Jahren ist zu beobachten, dass sich der Arbeitsmarkt von der Konjunktur entkoppelt. „Obwohl die Konjunktur noch nicht besonders rund läuft, fehlen Arbeitskräfte. Deshalb werden die Unternehmen handeln müssen. Dazu gehört auch, arbeitsintensive und teure Produktionen ins Ausland verlagern oder sie zu automatisieren – nicht nur in der Industrie, sondern auch im Handel und im Dienstleistungsgewerbe. Das ist bitter, weil dabei auch Arbeitsplätze wegfallen werden. Das bietet aber auch die Chance, in den Unternehmen Platz für das Neue, das Bessere, das Nachhaltigere zu schaffen. Schon auf mittlere Sicht wird das den Wirtschaftsstandort stärken – und zwar in allen Branchen“, ist sich Quidde sicher.
upn

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