Chance und Herausforderung

Udo Bullmann (SPD), Europaabgeordneter

Während der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg übernimmt Deutschland am 1. Juli für die kommenden sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Eine große Chance und eine Herausforderung zugleich. Zum einen haben wir die Verantwortung die Europäische Union aus der Corona-Krise zu führen und zum anderen aber auch die Chance, Europa grundlegend weiterzuentwickeln.

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen zu bekämpfen, ist die größte Herausforderung, die die Europäische Union bisher in ihrer Geschichte erlebt hat und stellt in ihren Folgen selbst die Weltfinanzkrise 2008/2009 in den Schatten. Hunderttausende Menschen sind an den Folgen dem COVID-19-Virus gestorben. Vielerorts haben Menschen in der Corona-Krise ihre wirtschaftlichen Grundlagen verloren. Die Europäische Union muss jetzt beweisen, dass sie dieser Aufgabe gewachsen ist.

In den vergangenen Monaten hat es viele nationale Reflexe gegeben, doch deutlich wurde auch, dass die Pandemie und ihre Folgen sich eben nicht an Grenzen aufhalten lassen.

Dass nationalistische Abgrenzung und Alleingänge nicht funktionieren, sehen wir immer wieder. Gerade die deutsche Bundesregierung und im besonderen SPD-Finanzminister Olaf Scholz hat zum Zusammenhalt und der gemeinsamen Überwindung der Krise in der EU beigetragen. Die Einigung auf ein umfangreiches europäisches Soforthilfeprogramm mit dem Umbau des Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), der den Ländern schnell nutzt, ohne dabei Schaden anzurichten, wie es etwa noch im Nachgang zur Weltfinanzkrise der Fall war, war ein großer Erfolg. Die gemeinsame deutsch-französischen Initiative, durch die Europa einen Ruck nach vorn hinbekommen hat, ebenso.

Diesen Weg des solidarischen Europas gilt es nun auch in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft fortzuführen. Europa braucht ein Wiederaufbauprogramm, mit dem die Wirtschaft angekurbelt wird und die sozialen Folgen der Pandemie bekämpft werden. Der endgültige Brexit rückt immer näher. Unsere Verantwortung für unseren Planeten und zukünftige Generationen ist nicht weniger wichtig geworden. Eine Erfahrung der vergangenen Wochen und Monate ist, dass die Gesellschaften, die am meisten von Ungleichheit und Ausgrenzung betroffen sind, sich am wenigsten gegen die Auswirkungen des Virus wehren konnten. Ungleichheit tötet - das ist eine Lehre, die wir leider ziehen müssen. Deshalb müssen die Anstrengungen für mehr Klimaschutz und bessere soziale Schutzstandards auch in Zeiten von Corona vergrößert werden. Die Europäische Union braucht deutlich mehr davon und nicht weniger. Mit der EU-Ratspräsidentschaft übernimmt Deutschland auch eine wichtige Rolle als Motor und Brückenbauer zugleich. Die anstehenden Herausforderungen des Wiederaufbaus zu meistern und gleichzeitig Europa mit Weitsicht weiterzuentwickeln ist die große Aufgabe in dieser Stunde. Europa hat auf große Herausforderungen immer mit großen Antworten reagiert und das sollten wir auch dieses Mal tun.