In Geduld üben / Von Helmut Müller Ei Gude, wie?

Helmut Müller

Sind Sie ein geduldiger Mensch? Also ich arbeite noch daran. Eine chinesische Weisheit besagt, dass ein Augenblick der Geduld vor großem Unheil bewahren und ein Augenblick der Ungeduld ein ganzes Leben zerstören kann.

Leider wird uns diese Tatsache erst bewusst, wenn es zu spät ist. Und in der Tat, in unserer schnelllebigen Zeit, hat Ungeduld scheinbar Hochkonjunktur. Andersherum gesagt: Niemand mehr ist bereit, Geduld aufzubringen und kann abwarten. Ob der Stau auf der Straße, die Warteschlange vor der Kasse, die Verspätung eines Busses, die Fertigstellung einer Sache oder die Erledigung eines Termins. Wenn was nicht klappt, werfen wir allzu gerne die „Brocken“ in die Ecke. Das Wegwerfen wird oft von Flüchen begleitet, die ich hier nicht zu wiederholen brauche.

Nichts Fertigbringen deutet auf ein dünnes Nervenkostüm und/oder fehlende Geduld. Das Wort Geduld bezeichnet, auch altertümlich Langmut, ebenso die Fähigkeit zu warten oder etwas zu ertragen. Oft gilt Geduld als eine Tugend; ihr Gegenteil ist die Ungeduld. Ungeduld bedeutet, dass wir uns schwer damit tun, zu warten. Wir wollen unsere Wünsche und Vorstellungen unmittelbar erfüllt bekommen. Ich kann mich noch an Weihnachten in meiner Kindheit erinnern. Wir zählten die Tage und Stunden bis zur Bescherung. Das war Ungeduld pur. Wir mussten damit zurechtkommen.

Ungeduldige Menschen sind oft gereizt, unleidlich und leicht verärgert. Ihr Körper ist angespannt, sie zittern leicht und manchmal schwitzen sie auch. Ihre Aufmerksamkeit ist komplett auf das Erreichen des Zieles ausgerichtet. Und das finde ich ausgesprochen Schade, denn man lebt in diesem Augenblick nicht, man wartet. Ich kriege mich damit, dass ich mir sage, das Leben besteht nicht aus warten.

Ich versuche, Abhilfe zu schaffen. Menschen, die nähen, kennen das, mit Geduld und Spucke bekommt man den Zwirnsfaden leichter durch das Nadelöhr. Dahinter steckt die Strategie, wie kann ich das Problem lösen und wenn nicht, muss ich abwarten. Wenn ich das nicht kann, dann habe ich ein Problem.

Mir fällt in solchen Situationen das Gelassenheitsgebet ein: „Herr, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!“ Ja, so leicht könnte es sein, wenn wir uns nicht selbst im Weg stehen würden. Ich finde es blöd, wenn jemand seine Ungeduld an anderen Menschen abarbeitet.

Ein Nachteil von Ungeduld kann auch sein, dass wir uns als Versager oder Opfer fühlen, was oft mit negativen Gefühlen wie Hilflosigkeit einhergeht. Als geduldig erweist sich, wer bereit ist, mit ungestillten Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen zu leben oder diese zeitweilig bewusst zurückzustellen. Diese Fähigkeit ist eng mit der Fähigkeit zur Hoffnung verbunden.

Geduldig ist auch, wer Schwierigkeiten, Leiden oder lästige Situationen mit Gelassenheit und Standhaftigkeit erträgt. „Es gibt nur zwei Tage in deinem Leben, an denen du nichts ändern kannst. Der eine ist gestern und der andere ist morgen“, sagt der Dalai Lama.

Ei Gude, wie!