Regieren statt streiten

Dr. Sascha Raabe, SPD-Bundestagsabgeordneter

Die Analyse der Hessenwahl zeigt, dass die Mehrheit der Wähler nicht mit der Sachpolitik der Groko in Berlin unzufrieden ist, sondern die Streitereien satt hat. Was da in den letzten Monaten aus Bayern kam, war in der Tat unerträglich und hat alles überlagert. Je eher Horst Seehofer als CSU-Parteichef und Innenminister zurücktreten würde, desto besser wäre es. Aber natürlich hat auch die SPD-Spitze in der Maaßen-Affäre grobe Fehler gemacht. Viele in meiner Partei wollen nun raus aus der großen Koalition und sprechen sich für Neuwahlen aus. Ich kann den Frust und die Enttäuschung meiner Parteifreunde nachvollziehen. Ich halte Neuwahlen jedoch für das Land und Europa nicht für verantwortungsvoll und für die SPD höchst gefährlich. Ich könnte es mir persönlich bei dieser Frage einfach machen. Ich habe ja bereits im Sommer bekannt gegeben, dass ich aus privaten Gründen nicht noch mal für eine Kandidatur für den Bundestag zur Verfügung stehe. Aber meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger würden mir dann sehr leid tun. Denn was will denn ein SPD-Kandidat den Bürgern dann sagen, warum sie ihn oder die SPD wählen sollen? „Regieren wollen wir nicht, deshalb sind wir ja raus aus der Groko. Bitte gebt uns die Stimme, damit wir uns in der Opposition erholen können!“, das wäre wohl die Botschaft. Denn eine Machtoption haben wir dann nicht mehr.

Die Grünen werden auf dem Weg zur Volkspartei ihren Erfolg nicht dadurch gefährden, dass sie sich auf rot-rot-grün oder grün-rot-rot einlassen (falls das rechnerisch überhaupt reichen würde). Es würde uns sicherlich manch potenzieller SPD-Wähler für unseren Austritt aus der Groko auf die Schulter klopfen, aber bevor jemand aus Mitleid mit uns seine Stimme an uns verschenkt, damit wir uns in der Opposition erholen, wird er doch lieber die Grünen wählen. Das kann dazu führen, dass die Hälfte unserer Wähler zu den Grünen abwandert und wir bei Neuwahlen unter 10 Prozent und damit auch deutlich hinter der AfD landen.

Die Lösung kann aus meiner Sicht deshalb nur darin liegen, dass wir jetzt die vielen guten sozialdemokratischen Projekte aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und uns an der SPD-Spitze personell erneuern, damit wir 2021 mit einer frischen Kanzlerkandidatin wie Manuela Schwesig kraftvoll in den Wahlkampf ziehen können.