Schnapsidee wird Wirklichkeit

Großprojekt: Aus einer ehemaligen Scheune wird eine hochwertige Spa-Einrichtung in einer neuen Ferienanlage. Fotos: Andrea Euler

Zwei Familien wagen den Sprung und bauen im Spessart eine Hofreite zur einer Ferienanlage um.

Jossgrund – Es ist eine Hofreite, wie es auf dem Land einige gibt: Etliche Gebäude, viele davon unter Denkmalschutz, erbaut irgendwann zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert. Und häufig dem Verfall preisgegeben, denn die Anforderungen der Denkmalschutzbehörde sind oft so hoch, dass die Eigentümer vor einer nötigen Sanierung zurückschrecken.

In Burgjoß dagegen ist ein Vorzeigeprojekt entstanden: Zwei Ehepaare haben sich entschieden, zusammen am Brunnenweg ein Kleinod entstehen zu lassen: eine Ferienanlage. Im Sommer kommenden Jahres soll sie eröffnet werden.

Wenn das gelingt, liegen hinter Beate und Thomas Schreiber sowie Wencke und Dominik Oestreicher fast fünf Jahre Planung, Arbeiten auf dem Hof – und jede Menge Anträge. Hunderte Stunden sind in Detailplanungen geflossen, damit aus dem Wohnhaus aus dem Jahr 1905, dem zweiten Wohnhaus und ältesten Gebäude aus dem Jahr 1754 und mehreren Scheunen auf den rund 6000 Quadratmetern Fläche eine attraktive Ferienanlage wird. Ökologisch, nachhaltig, verwirklicht so oft wie möglich mit ortsansässigen Firmen.

Die Idee, so erzählt Wencke Oestreicher, sei ihr nach einem Besuch auf dem Ferienhof „Middenmank“ in Mecklenburg gekommen. „Schlafen bei Schafen“ heißt dort das Konzept, das „irgendwo im Nirgendwo“ umgesetzt wird.

„Eine schöne Mischung aus Alt und Neu mit einer angenehmen Dorfgemeinschaft und entspannenden Angeboten“, wie Wencke Oestreicher berichtet. Und da sie wusste, dass Thomas Schreiber über die sinnvolle Nutzung des Grundstücks im Jossgrund schon lange nachdachte, machte sie Beate Schreiber mit ihrer „Schnapsidee“ vertraut – an einem Abend im November 2018 beim Sushi-Essen in Gelnhausen. Dann waren auch die beiden Ehemänner begeistert. „Wir haben an dem Abend beschlossen, dass wir das machen.“

Damit begann die Arbeit: Rund zweieinhalb Jahre flossen ausschließlich in die Planung. Eine seitliche Scheune wird abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, in den zwei Ferienwohnungen kommen. Das Haupthaus bekommt vier Ferienwohnungen und einen Aufenthaltsraum, in dem künftig auch regionale Produkte zum Erwerb zu finden sein werden. Die Scheune wird zum Spa-Bereich. Die übrigen Gebäude kommen in einem zweiten Bauabschnitt an die Reihe.

Schließlich rollten die ersten Baumaschinen. „Die ganze Scheune stand auf Stelzen, sie hing in Bändern auf Stützen“, erinnert sich Thomas Schreiber an einen der denkwürdigsten Momente des Projekts. Das war im Sommer 2021. „Wir haben 17 Betriebe angefragt, bis endlich eine Zusage kam für diese Arbeit“, macht der Bauherr deutlich, mit welchen Schwierigkeiten die Bauleute zu kämpfen hatten. Und welchen finanziellen Aufwand solch einzelne Schritte provozieren: Aus Waldkappel-Schemmern kam die Firma angefahren, „die Zugmaschinen sind so langsam, die kommen nicht über die Autobahn, sondern sind in mehreren Stunden über die Landstraße zu uns gekommen“, wie sich Wencke Oestreicher erinnert. Die Fachleute für Sanierung und Erhaltung bauten unter der angehobenen Scheune das Natursteinmauerwerk zurück und versetzten es neu. Knapp drei Wochen Arbeit steckten in diesem Schritt, etwa 30 000 Euro standen am Ende auf der Rechnung.

Mehr als 1,5 Millionen Euro wird das Projekt in Summe verschlingen, etwa ein Viertel steuert die öffentliche Hand bei. Fördergelder kommen vom Landesdenkmalamt Wiesbaden, aus dem Programm für regionaltypische Ferienwohnungen, aus der Dorfentwicklung, vom Main-Kinzig-Kreis und von der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

„Das klappt alles nur, weil wir von den ursprünglichen Plänen immer wieder ein paar Rückschritte gemacht haben, selbst viel Zeit investiert haben und vor allem so viel Unterstützung aus dem Ort hatten und haben, von Verwandten und aus dem Freundeskreis, Nachbarn und heimischen Handwerkern. Ohne die wäre das ganze Projekt so nicht möglich gewesen. Das ist schon etwas Besonderes“, sind sich die vier Bauleute einig.

Mehr als einmal kamen sie auf den Hof und fanden schon eifrige Helfer vor, die am Arbeiten waren – aus Begeisterung dafür, dass dieses Projekt in der Dorfmitte umgesetzt wird.

Und Arbeit gab und gibt es mehr als genug: Anfangs ging es darum, die Gebäude erstmal von Gerümpel zu befreien, Tapeten zu entfernen, eingezogene Zwischenwände abzureißen. Der Baum, der nach einem Wasserschaden durch einen Riss im Mauerwerk ins Haus gewachsen war, musste raus.

Die in der Wand auftauchenden Ansammlungen toter Ameisen gaben Anlass zur Sorge, welche Schädlinge man wohl noch im Gebälk und Mauerwerk finden würde. Später ging es um die Planung, wie aus der kalten Scheune ein attraktiver Spa-Bereich mit Sauna werden kann: Drei Kuben, die jede für sich eine „Haus-in-Haus-Lösung“ darstellen, waren schließlich die Lösung. Inzwischen, sind sich die Bauleute einig, geht es schon um viele Details: Wie soll der Handlauf für die Treppe aussehen? An welchen Stellen erkennt man noch die alten, noch mit Rollen bedruckten Wände?

Welche alten Einrichtungs- und Dekorationsstücke kommen in die sechs Ferienwohnungen und die Scheune? Und immer wieder die Frage: Wie kann das alles möglichst nachhaltig und ökologisch verwirklicht werden, mit natürlichen Baumaterialien. Es soll schon hochwertig werden, da sind sich die vier einig. Stopfhanf statt Bauschaum, sozusagen.

Für die vier Bauleute, allesamt zwischen 40 und 50 Jahren, allesamt berufstätig und mit Kindern, gibt es einen ganz entscheidenden Antrieb, wie Wencke Oestreicher schmunzelnd berichtet: „Für uns war ein wesentlicher Antriebsfaktor, diese coole Sauna selbst nutzen zu können. Darauf freuen wir uns, wie auf nichts anderes.“

Von Andrea Euler

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