Erinnerung an Philipp Reis

Prominenter Hauptredner des Gelnhäuser Neujahrsempfangs: Dr. Wolfram Weimer blickte auf das Leben und Wirken von Philipp Reis, dessen Büste hier zu sehen ist. Foto: PM

Großer Neujahrsempfang der Stadt Gelnhausen.

Gelnhausen – Nach fünf Jahren Pause hat es in Gelnhausen wieder einen Neujahrsempfang gegeben: Nahezu 400 Gäste waren der Einladung des neuen Bürgermeisters Christian Litzinger und des Stadtverordnetenvorstehers Dr. Peter Tauber in den Barbarossasaal des Main-Kinzig-Forums gefolgt und verbrachten einen kurzweiligen Abend fernab der Politik.

Die spielte diesmal (fast) keine Rolle, markierte der Neujahrsempfang doch gleichzeitig den Auftakt zum Philipp-Reis-Jahr in Gelnhausen. Zum 190. Geburtstag und dem 150. Todestag des Telefon-Erfinders wird es einige Veranstaltungen im Jahresverlauf geben. Und dass Philipp Reis eindeutig der Erfinder des Telefons ist, daran ließ der prominente Hauptredner des Abends keinen Zweifel: Der aus Gelnhausen stammende Publizist Dr. Wolfram Weimer blickte historisch fundiert und mit Humor auf das Leben von Philipp Reis, über den er 2020 ein Buch herausgebracht hat.

Nahezu 400 Bürger, Vertreter aus allen Bereichen des städtischen Lebens sowie Landrat Thorsten Stolz gaben sich ein Stelldichein und genossen einen kurzweiligen und gleichzeitig informativen Abend – und die Gelegenheit, sich auszutauschen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Am Saaleingang begrüßten Bürgermeister Litzinger und seine Frau Christiane die Gäste, Andrea Putz im Schornsteinfeger-Kostüm überreichte jedem Gast einen Glücks-Cent.

Der Rathauschef ließ keinen Zweifel daran, wie wichtig ihm die Renaissance des klassischen Neujahrsempfangs in Gelnhausen war. Trotzdem setzte er auch eigene Akzente und verzichtete bewusst auf politische Rück- und Ausblicke. Vielmehr ergriff er die Gelegenheit, einen der großen Söhne der Stadt zu ehren und den Startpunkt für das Philipp-Reis-Jahr in Gelnhausen zu setzen.

In aller Kürze ging er auf das Lebenswerk des Erfinders ein, denn darüber sollten die Gäste des Abends mehr vom prominenten Hauptredner erfahren. „Die Barbarossastadt ist stolz darauf, Philipp Reis als ihren Sohn bezeichnen zu dürfen.“ Der bekannte Publizist und Autor Dr. Wolfram Weimer skizzierte kurzweilig und humorvoll das Leben eines „Selfmademan der bürgerlichen Moderne“, eines Mannes, „verliebt ins Gelingen“, „einen kleinen Mann mit großem Geist“. Ein Vortrag, der seine Wirkung nicht verfehlte – wünschte sich die Zuhörerschaft an dessen Ende doch, der Redner möge noch ein wenig weitererzählen vom Leben dieses Philipp Reis. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass sich einige Gäste das 2020 erschienene Buch von Dr. Wolfram Weimer „Der vergessene Erfinder“ zulegten und auch gleich signieren ließen. Aus einer Geige, einer Stricknadel und der Blase eines Hasen bastelte Philipp Reis 1861 das erste Fernsprechgerät der Welt. Was für ein Mensch war Philipp Reis, der in Gelnhausen geboren wurde, später in Friedrichsdorf lebte und dort bereits im Alter von 40 Jahren verstarb? War er ein Genie? Warum ist er ein wenig in Vergessenheit geraten?

Für den aus Gelnhausen stammenden Wolfram Weimer war es eine Herzensangelegenheit, weitere Details über das Leben von Reis ans Tageslicht zu bringen und seine Persönlichkeit zu ergründen. Nicht ganz einfach, denn dafür musste der bekannte Publizist und Autor, der gemeinsam mit seiner Frau das Verlagshaus Weimer Media Group in Tegernsee leitet, tief in die Archive abtauchen. „Vor dem Geburts- und Elternhaus von Philipp Reis in der Langgasse habe ich zuweilen mein Mofa abgestellt, um in den Jazz-Keller unseres Gymnasiums feiern zu gehen. Manchmal im Winter, wenn mein Mofa hernach nicht so leicht wieder ansprang, musste ich an ihn denken, dass er ja auch jede Menge Geduld brauchte, bis sein Telefon wirklich funktionierte“, berichtete Weimer von der ersten „Bindung“ an den Telefonerfinder.

Auslöser für das Schreiben des Buches sei aber Donald Trump gewesen. Der frühere US-amerikanische Präsident habe in mehreren Reden Graham Bell als den Erfinder des Telefons gefeiert als Beispiel für die Größe der USA. „Sein unangenehmer Neo-Nationalismus nach dem Motto ‘America first’ hat in mir den Gelnhäuser Stolz wachgerufen. Denn es war nun einmal nicht Graham Bell, sondern Philipp Reis.“

Weimer charakterisierte Reis in seinem Vortrag als sympathischen Lehrer, Tüftler, glücklichen Ehemann und Vater. Als einen „Mann von vielseitiger Intelligenz“, klein gewachsen, gesellig, kinderlieb, kreativ, neugierig und experimentierfreudig, von heiterem Wesen. Obwohl er in seinem Leben allerlei Bitterkeit habe ertragen müssen, sei er immer optimistisch geblieben. „Kein Besserwisser, sondern ein Bessermacher“. In seiner Scheune erfand Philipp Reis nicht nur den Prototyp des Telefons, sondern auch einen der ersten Rollschuhe der Welt und einen Vorläufer des Fahrrads. Zudem forschte der Physiker laut Weimer an der Solarenergie und versuchte, mit einem Parabolspiegel Strom zu erzeugen. „Und er schoss das erste Selfie der Welt“, zeigte Dr. Wolfram Weimer anhand einer Fotografie auf. Diese zeigt ein Selbstbildnis des Erfinders, den Auslöser betätigte er über eine entsprechende Konstruktion mit dem Fuß. „Er hat unglaubliche Dinge in seiner Scheune entwickelt, aber die Anerkennung, die er verdient hätte, wurde ihm nie zuteil“, bedauerte Weimer.

„Ich habe der Welt eine große Erfindung geschenkt, anderen muss ich überlassen, sie weiterzuführen“, soll Philipp Reis seinem Freund und einstigen Lehrer Louis Frédéric Garnier auf dem Sterbebett entgegengehaucht haben.  upn