Fragwürdige Demonstrationen

Peter Tauber

Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie wurde immer wieder hervorgehoben, wie eng wir in Deutschland zusammenstehen: Bevölkerung, Wissenschaft und Politik Seite an Seite gegen die lange unsichtbare Bedrohung. Dass wir in den vergangenen drei Monaten eine Überlastung unseres Gesundheitswesens vermeiden konnten, liegt vor allem daran, dass eine überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger die einschneidenden, aber notwendigen Kontaktbeschränkungen und Abstandsgebote in ihren Alltag integriert hat. Auch wenn diese Maßnahmen ganz unterschiedliche Auswirkungen auf jeden Einzelnen haben, eint uns die Ungewissheit darüber, wie es weitergeht. Weil sie versprechen, diese Ungewissheit mit einfachen Erklärungen lichten zu können, haben Verschwörungstheorien in der Krise Hochkonjunktur. Seit Wochen bekennen Prominente sich zu Verschwörungsmythen und bundesweit versammeln sich Menschen zu fragwürdigen Hygiene-Demonstrationen. Angesichts dieser Bilder muss man sich fragen: War es das mit dem Zusammenhalt in der Krise?

Ich bin davon überzeugt, dass ein großer Unterschied zwischen der enormen medialen Aufmerksamkeit, die Demonstrantinnen und Demonstranten auf sich ziehen, und der tatsächlichen Stimmungslage in unserem Land herrscht. Der Blick auf die Teilnehmer solcher Anti Corona Demonstrationen zeigt, dass es sich nicht um einen repräsentativen Teil unserer Gesellschaft handelt, sondern um verwirrte Einzelkämpfer, die nicht etwa eine Überzeugung zusammenführt, sondern Demonstrieren hier zum Selbstzweck wird. Anstelle einer geeinten Bewegung suchen hier vorwiegend isolierte Interessengruppen eine Plattform, um Forderungen, die sie bereits vor der Pandemie platziert haben, Aufwind zu verleihen. Dass einigen tausend Leuten, unter ihnen nicht wenige Wahnsinnige und viele Rechte, eine so große Aufmerksamkeit durch die Medien zuteilwird, erinnert an die Berichterstattung zur Flüchtlingskrise 2015, die denjenigen, die am Rande stehend nörgelten und hetzten, mehr Raum schenkte als den Millionen Menschen, die sich engagierten und anpackten.

Sicherlich fällt vieles, was bei den fragwürdigen Demonstrationen geäußert wird, unter die Meinungsfreiheit und muss durch unsere Demokratie ausgehalten werden. Gefährlich wird es aber besonders dann, wenn Verschwörungstheorien sich millionenfach im Netz verbreiten und mit schlicht unwahren Behauptungen Verunsicherung schüren sowie Feindbilder aufbauen und Menschen oder Organisationen zur Zielscheibe machen. Ein gutes Beispiel ist das vor einigen Wochen durch den Bundestag beschlossene Infektionsschutzgesetz, das - jeglicher Grundlage entbehrend - mit einer Impfpflicht sowie der Aushebelung von Grundrechten in Verbindung gebracht wurde. Angesichts der zahlreichen Zuschriften, die mich aus meinem Wahlkreis erreicht haben, möchte ich nochmals in aller Deutlichkeit festhalten: Weder sah das Gesetz eine Impfpflicht noch eine Einschränkung der Grundrechte vor. Dass Verschwörungsmythen in Zeiten der Pandemie in besonderem Maße Verbreitung finden, ist keine Überraschung. Wir alle erleben eine Krise, die uns manche Sicherheit nimmt. Die letzten Wochen aber haben gezeigt, dass wir viel erreichen können, wenn wir zusammenstehen.